Artikel durchsuchen

Suchen Sie Artikel pder Themen

Zeige 0 von 100 Artikeln

Berliner oder Kreppel - Schmalzgebäck in der Fastnacht

Brotgetreidemühlen
/
Getreideverarbeitung
/
Lebensmittel
/
Mehl
/
Tradition und Geschichte fettgebackener Backwaren in Kochbüchern und im Karneval
2024
1/30/2024
Berliner oder Kreppel - Schmalzgebäck in der Fastnacht

Die früher als Schmalzgebäcke bezeichneten Backwerke haben eine lange Tradition haben, lässt sich anhand alter Backanweisungen bestätigen. Wurden diese zunächst noch vielfach unter dem vergleichsweise neutralen Sammelbegriff „ein pachens“ zusammengefasst, so differenzierten sich die Backwerke zunehmend in ihrer Bezeichnung sowie in ihrer Formenfülle: Sie erschienen langgezogen, rautenförmig oder gebogen. Sie konnten eine kugelförmige Ballenform haben oder platt gepresst sein wie eine Flunder, mit glatten oder gezackten Rändern versehen, gefüllt oder ungefüllt.

Fastnachts-Geschichte(n) zum Anbeißen

Bei flüssigem Teig verwendete die Hausfrau ein Formeisen, festen Teig dagegen formte sie mit der Hand. Angesichts solcher Vielfalt lässt sich hier sicherlich die volkskundliche Regel anwenden, die besagt, dass eine Erscheinung umso älter ist, je vielgestaltiger und formenreicher sie ist.  

Strauben waren lange ein besonderes Festtagsgebäck. Den teuren Zucker konnte sich nicht jeder leisten.

Fastnachtszeit für Schmalzgebäcke

All diesen schwimmend in Fett ausgebackenen Backwerken gemeinsam ist, dass sie zum Großteil saisonal an die Fastnacht gebunden sind. Daraus ergibt sich die Grundsatzfrage, warum es nun gerade Siedegebäcke sind, die das kulinarische Bild der närrischen Tage prägen. Dass es diese enge Verbindung zwischen Fettgebackenem und der Fastnacht gibt, ist jedenfalls unzweifelhaft. Das belegt beispielsweise die volkstümliche Redewendung: „Ihm geht's nicht um die Fasnacht, ihm geht's um die Küchle“ oder abergläubische Vorstellungen wie „Wer an Fasnacht keine Küchle backt, kann das Jahr über nicht froh werden“. In ähnlicher Weise auf das leibliche Wohl bedacht ist der im schwäbisch-alemannischen Raum bekannte Kinderreim: „Luschtig isch de Fasenacht, wenn mei Mueder Küchli bacht“ und weiter: „Wenn sie aber koane bacht, noh pfeif i’ auf de Fasenacht.“  

Strauben beim „Striebelebacken“

Dass es zur Fastnacht vor allem Schmalzgebackenes gab, hatte durchaus auch praktische Gründe. Die Fastnacht als Vorabend der Fastenzeit stand für den nahenden radikalen Einschnitt in die alltäglichen Speisegewohnheiten. Der Konsum von Fleisch war in der sechswöchigen Fastenzeit untersagt, aber auch der Genuss von Nahrungsmitteln aus der Großvieh- und Geflügelhaltung, beispielsweise Schmalz, Fett, Milch, Butter, Käse und Eier. Da Fettes zu essen früher gleichbedeutend war mit gut und üppig zu essen, empfahl sich der Verzehr von fettreichen Speisen ebenso wie von Schmalzgebäcken, zumal die entsprechenden Vorräte ja auch aufgebraucht werden mussten.  

Tage der schmalen Kost

Volkstümliche Redensarten wissen, dass die Fastnacht früher neben Ostern und Weihnachten die Zeit des reichlichsten Essens war. „Wenn nur Fasnacht in meiner Küche ist“, heißt es da, oder „an der Fasnacht soll man so oft essen, wie der Hund mit dem Schwanz wedelt“. Daraus folgt, dass Redewendungen wie „Viel essen und trinken an Fasnacht soll man, um ‚Fülle‘ zu erhalten“ eben durchaus wörtlich zu nehmen sind. Davon einmal abgesehen, schrieb der volkstümliche Glaube in früheren Jahrhunderten dem Fett − aber Küchlefett musste es sein – offenbar auch eine besondere Fruchtbarkeitswirkung zu. Wachstumsfördernd sollte es sein, ja sogar Heil- und Abwehrkräfte sollte es haben und so schmierte man noch bis ins 19. Jahrhundert ab und an auch Fuhrwagen und das Joch der Zugtiere damit ein. Selbst Hühner und Marder erhielten ihr Fett weg − Hühner, damit sie legten, Marder und Füchse, damit sie eben nicht erlegten! Jedenfalls weiß ein Nachschlagewerk des 19. Jahrhunderts zu Bräuchen in Schwaben zu berichten, dass man Füchsen ein Fastnachtsküchle im Gebüsch versteckte, um sie von den Hühnern abzulenken.  

In welcher Form und Größe auch immer: Zur Fastnacht wird vor allem im schwäbisch-alemannischen Raum „g’chüechlet“.
Dazu passt, dass der im Süden Deutschlands und in Österreich vielzitierte „schmotzige“ Donnerstag, der früher den eigentlichen Auftakt zum häuslichen Chüechlebacken bildete, seinen Namen danach erhalten hat. „Schmotzig“ bedeutet nämlich nichts anderes als „fettig“ oder „schmalzig“.

Zwischen Völlerei und Darben

Vor allem in der häufig milchreichen, aber getreidearmen Bergbauernwirtschaft waren Milch, Butter und Schmalz in der Regel reichlich verfügbar, und so wundert es nicht, dass diese in Form von in Schmalz ausgebackenen, eierhaltigen Fastnachtsküchlein verwertet worden sind. Nach und nach entstand ein großes, landschaftlich verschiedenes Repertoire an Fastnachtsgebäcken, die gerne in öffentlichen Gelagen gegessen oder verschenkt wurden.  

Bis ins späte Mittelalter billigte die Kirche solche Völlerei vor den Fasten- und Bußwochen. Als aber die öffentlichen Gelage überhandnahmen und die Sitten allzu derb wurden, begann so mancher Kirchenvertreter die Unmäßigkeiten mit sehr gemischten Gefühlen zu betrachten. Aber was half es, dass der wortgewaltige Augustinerprediger Abraham a Sancta Clara am Fastnachtssonntag des Jahres 1676 in der Kirche fast schon bühnentauglich donnerte: „Heut ist ein Festtag und ein Freßtag.“ Geahnt hatten das schon viele vor ihm! Knapp 80 Jahre zuvor war beispielsweise der Pfarrherr von Litzelstein, Heinrich Vogel, beim Gedanken an die Schmalzpfannen in heiligen Zorn geraten und hatte gegen das „Küchlein backen / Strauben /[...] und wie sie mehr heißen“ als ein „antichristlicher greul“ gewettert, das er gar als „Teuffels dreck“ anprangerte.  

Die Straubenherstellung („Striebelebacken“)

Fettgebackene Vielfalt

Die genannten „Küchlein“ und „Strauben“, wie überhaupt die im Laufe der Zeit entstandene breite Palette an Fettgebäcken, verdienen eine nähere Betrachtung. Da wären beispielsweise die ausgezogenen Küchle, auch „Spiegelkrapfen“, „Fensterküchle“, „Knieküchle“ oder einfach nur „Ausgezogene“ genannt, die uns Fastnacht bis heute in vielen Bäckereien und Konditoreien begegnen. Es sind flache, runde Hefeteigstücke, die früher von der Hausfrau mit der Hand übers bloße Knie gelegt und hauchdünn ausgezogen wurden. Beim Ausbacken bildete sich dadurch ein heller durchscheinender „Spiegel“ in der Mitte, der ringsherum von einem rund drei Centimeter hohen, braunen wulstigen Rand umgeben war. Das galt früher zu Recht als hohe Backkunst, die einer Hausfrau Ehre einbrachte. Damit die Hygiene nicht zu kurz kam, riet man in alten Kochbüchern schon einmal, sich zuvor eine weiße Schürze umzubinden oder ein reines Tuch übers Knie zu breiten.

In der Regel waren solche traditionsreichen Backwerke nicht nur als Fastnachtsgebäck beliebt. Vor allem in der Erntezeit und zu hohen Festtagen, wie etwa zur Kirchweih, wurden sie im ländlichen bayerischen Raum gerne auch als kraftspendende und sättigende Mahlzeit verzehrt.  

Die verfeinerte städtische Abart dagegen, die unsere Vorstellung der Fettgebäcke prägt, tauchte tatsächlich erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikaleren Artgenossen. Nicht nur, dass solche Gebäcke wie beispielsweise der Wiener Faschingskrapfen beziehungsweise der Berliner aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt waren. Nein, es galt auch die Regel: Je kleiner, desto feiner! Zu diesen besonders zarten, kleinen Backwerken gehören auch die Rheinischen Mutzenmandeln aus süßem Mürbteig ohne Hefe, dafür mit reichlich Eiern und Zucker, Mandeln, Rum und Rosenwasser. Exklusive Zutaten, die seinerzeit auch ihren Preis hatten. Die mit Hilfe von zwei Teelöffeln mandelförmig ausgestochenen Gebäckstücke werden in siedendem Fett goldbraun ausgebacken. Anschließend werden sie in Puderzucker oder Streuzucker gewendet.    

Ähnlich exquisit sind die in Südbaden und im Schweizer Nachbarland mit Sauerrahm hergestellten, mürben „Scherben“. Der dünn ausgerollte Teig wird zu verschobenen Vierecken ausgewellt, mit einer Gabel „gestupft“ und dann schwimmend in heißem Fett ausgebacken. Vor dem Servieren wird das stark aufgeblähte Backwerk mit Zucker und Zimt bestreut.  

Als bodenständige Erwiderung auf solche feinen Schmalzgebäcke könnte man die haushälterische Nutzung des abtropfenden Küchlefettes verstehen. Von der alltäglichen Sparsamkeit früherer Generationen zeugt beispielsweise, was die bekannteste Köchin und Kochbuchautorin des Schwabenlandes, Friederike Luise Löffler (1744–1805), hinsichtlich der „Fasnachtsküchla“ notierte: „Dann leg sie einen Augenblick auf Brotschnitten zum Ablaufen.“ Die so getränkten Schwarzbrotscheiben wurden als Einlage für eine Suppe genutzt. Weniger haushälterisch hantierte dagegen Katharina Prato, die mit ihrem „Süddeutschen Kochbuch“ seit 1858 einen Besteller in immer neuen Auflagen gelandet hatte. Sie ließ ihre Schmalzgebäcke damals schon auf „Löschpapier“ abtropfen.

Strauben, Strieble oder Striewli

Nach weiteren Schmalzgebäcken mit kuriosen Namen und eigentümlicher Form muss man nicht lange suchen. Zu nennen wären beispielsweise die regional unterschiedlich als Strauben, Strieble oder Striewli bezeichneten mürben, brüchigen Faschingsgebäcke, die vor allem in Süddeutschland und im Alpenraum in der Fastnachts- und Fastenzeit beliebt waren. Zur Herstellung dieses bereits im Mittelalter bekannten Backwerks benötigte man eine Straubenpfanne (Schmalzpfanne) und einen Straubentrichter, durch den man die fertige Teigmasse mit kreisenden Bewegungen bandartig in das heiße Schmalz einlaufen ließ. So entstand ein Gebäck mit einem Gewirr von Teigschlaufen. Jenes „klein blechen Trechterlein, dadurch man strauben becht“ beschrieb man schon 1506 als ein unerlässliches Backutensil. Gelegentlich nahm und nimmt man zum Eingießen des Teigs in das Schmalz statt eines Straubentrichters aber auch eine Schnabelkanne, ein Sieb oder einen Spritzsack. Der Ursprung des Wortes liegt vermutlich im alemannischen „straub“ für „kraus, rauh“ oder in „straube“ für „Schraube, gewundene Linie“. Diese letzte Deutung dürfte in Anbetracht der Spiralform des Gebäcks wohl die passende sein.  

Ein wichtiges Datum für die Straubengeschichte ist das Jahr 1090. Damals fand sich für den süddeutschen Raum urkundlich der Hinweis auf „ein Nahrungsmittel, allgemein struua genannt“. Demzufolge wären die Strauben also über 900 Jahre alt, was als Alter für ein Gebäck wahrlich kein schlechter Rekord ist.  

Als Festtagsgebäck waren die Strauben besonders in Klöstern sehr geschätzt. Allerdings schlug seinerzeit der teure Rohrzucker hoch zu Buche, sodass sich die einfache Bevölkerung das Backwerk nicht leisten konnte. Immerhin kostete ein Pfund Zucker im 15. Jahrhundert etwa so viel wie drei Spanferkel. Die genannten Fastnachtsküchle wurden nicht nur selber verzehrt, sondern gerne auch verschenkt, etwa an die Geistlichkeit aus der Umgebung, an die Dienstleute eines Klosters, an die städtische Obrigkeit oder an die Narren selbst. Begehrt war das mürbe Backwerk aus Mehl, Eiern, Milch, Salz und Zucker über die Jahrhunderte hinweg auch als exklusives Festtagsgebäck, das auch in gehobenen weltlichen Kreisen zunehmend beliebter wurde. Das Gebäck schmeckte gut, war schnell herzustellen und erforderte keine besondere Vorratshaltung. So war es vor allem in Österreich und im Süden Deutschlands nicht nur als Fastnachtsgebäck beliebt, sondern auch als häusliches Kaffeegebäck. Vor allem im 19. Jahrhundert gibt es dazu reichlich Belege. So bezeichnete etwa der badische Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837–1916) die Strauben als „das feinste Mehl- und Schmalzgebäck einer alemannischen Bauernküche“.  

Auf die Füllung kommt es an

Dass Schmalzgebäcke eine lange Tradition haben, lässt sich also hinlänglich belegen. Auch Füllungen gab es in der Krapfenküche bereits früh. Der redegewandte Bußprediger Berthold von Regensburg beispielsweise muss um 1250 gefüllte Krapfen gekannt haben, bezeichnete er sie doch in einer Predigt als Gegenbild zu einem maßvoll lebenden Menschen, der eben „ze allen ziten niht vol ist als ein krapfe“. Auch im ältesten bekannten deutschen Kochbuch, dem Würzburger „Buch von guter spise“ aus dem Jahre 1350, spricht man bereits von einem Gemenge aus gewürfelten und gewürzten Äpfeln, die in den Krapfen eingefüllt wurden.  

Im ausgehenden 16. Jahrhundert fehlte es ebenfalls nicht an Rezepten von „Krapfen oder gefüllten Oblaten“ mit Apfel- oder Marmeladenfüllungen nach Wahl, beispielsweise Kirsch-, Himbeer- oder Hagebuttenmarmelade. Diese wurden in die Mitte einer Backoblate gestrichen, mit einer zweiten Oblate bedeckt und in einen Ausbackteig aus Mehl, Weißwein und Ei getaucht. Zum Schluss wurden die Krapfen schwimmend in heißem Fett ausgebacken. Aber nicht nur Marmelade, auch Äpfel und Birnen, Spinat, Salbeiblätter oder gar Veilchen konnten als Füllmasse herangezogen werden.  

Die Wiener Faschingskrapfen

Einen Höhepunkt erlebte die Verfeinerung durch eine Marmeladenfüllung in der Zeit des Barock. Hierbei kommt nun verstärkt Wien ins Spiel. Bis dahin sollte man bei den traditionsreichen Schmalzgebäcken noch nicht gleich an die verfeinerten zarten Krapfen denken, sondern eher an einfache, bodenständige Schmalzgebäcke der bäuerlichen Küche, seien sie nun süß oder ungesüßt und zum Teil mit Kraut oder Fleisch gefüllt. Eine typische Alltags- und Festtagsspeise aus weniger feinem Mehl, Milch, Eiern und Hefe, die nahrhaft war und als ebenso kraftspendende wie sättigende Nahrung der Bergbauern galt. Der geflügelte Lehrspruch in Österreich hieß denn auch: „Sparen mußt beim Mehl, nicht beim Schmalz!“, da selbst stark fettige Speisen bei der harten körperlichen Arbeit durchaus noch verträglich waren. Aber auch runde, ballförmige Krapfen wurden bereits im Mittelalter in den Städten, vor allem im Wien, in öffentlichen Schmalzkochereien gewerbsmäßig hergestellt. Immerhin ernährte sich in Wien seit dem 15. Jahrhundert ein ganzer Berufsstand – die Krapfenbäcker – davon.  

Die Spätstufe der Krapfen, nämlich die verfeinerte städtische Abart des Wiener Faschingskrapfens tauchte erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikaleren Artgenossen. Nicht nur, dass der Wiener Faschingskrapfen aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt war, nein, es galt auch hier die Regel: Je kleiner, desto feiner. Darüber hinaus war er exakt rund geformt. Und nicht zu vergessen der typische rundherum tadellose helle „Kragen“ oder, wie der Österreicher sagt, das „Ranftl“ (= Rand, Ring). „Die Krapfen müssen nämlich so leicht sein, daß sie nicht die Hälfte in das heiße Schmalz sinken, und hierdurch das weiße Ränftchen erhalten“, schrieb einst ein Meisterkoch und Kochbuchautor des frühen 19. Jahrhunderts, F. G. Zenker.

Beim Hofball, bei großen Festen, in den Salons und an den gehobenen Tafeln ließ man das Backwerk servieren und es fand begeisterte Aufnahme! Ab 1787 waren in der „Wiener Zeitung“ laufend und gleich seitenweise Annoncen für gefüllte oder ungefüllte Faschingskrapfen zu finden. Vielfach konnte man sogar die Art der Füllung wählen. Die bekannten Preisangaben belegen aber auch, dass das Gebäck nicht eben billig war. Musste man 1786 noch zwei Kreuzer für einen gefüllten Krapfen hinlegen, waren es drei Jahre später bereits drei bis vier Kreuzer und 1806 gar vier bis acht. Zum Vergleich: Für zehn bis zwölf Kreuzer, also rund ein Drittel mehr, bekam man um 1800 ein mehrgängiges Mittagessen.  

Dessen ungeachtet wurden die gefüllten Krapfen auf den Straßen Wiens überall zum Verkauf angeboten. Allein im Kongressjahr 1815 verzehrte man in Wien beinahe 10 Millionen Krapfen, die überall auf den Straßen zu kaufen waren. Diese gewaltig wirkende Zahl erscheint vorstellbarer, wenn man sich klarmacht, dass Wien – mit den zum Verwaltungsbereich gehörenden Vorstädten – damals rund 238 000 Einwohner zählt. Damit war sie nach London und Paris die drittgrößte Stadt Europas. Gemäß dieser Aufschlüsselung dürfte jeder Bürger in den rund drei „närrischen“ Monaten – der Fasching beginnt in Wien im Januar nach dem Dreikönigstag und endet genau wie bei uns am Aschermittwoch – etwa 42 Krapfen gegessen haben. Also jeden zweiten Tag einen!

So dürfte es auf die Frage nach dem Ursprung des Krapfens für einen Österreicher nur eine Antwort geben: eben Wien. Zumal es noch jene bekannte (Märchen-)Geschichte von der legendären Wiener Köchin Cäcilie Krapf gibt, die um 1615 erstmals den später nach ihr benannten Krapfen gebacken haben soll.

Pfannkuchen in Berlin

Zum Schluss bleibt noch die Frage offen: Wie ist das nun mit dem Krapfen in Berlin? Schließlich wird das mit Konfitüre gefüllte Backwerk in Deutschland allerorten mit dem Begriff „Berliner Pfannkuchen“, kurz „Berliner“ genannt, gleichgesetzt.  

Bereits vor rund 600 Jahren sollen in Berlin Schmalzgebäcke angeboten worden sein. Fahrende Händler aus Bayern oder Württemberg könnten die ersten gewesen sein, die einfache ungefüllte Krapfen zum Karneval in die Stadt gebracht haben. Einen unaufhaltsamen Siegeszug dürfte das Schmalzgebäck jedoch erst Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts erlebt haben. In dieser Zeit nämlich stiegen die Bevölkerungszahlen rasant an. Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 mit rund 7 500 Bewohnern wuchs die Einwohnerzahl bis zum Jahr 1709 auf 57 000 an. Rund 80 Jahre später, 1786, zählte Berlin bereits 147 000 Einwohner. Damit einher ging ein starker Zuzug von Gewerbetreibenden. Auch das Bäckereiwesen in Berlin blühte stark auf.  

Straßenbäckereien, in denen Siedegebäcke hergestellt wurden, waren besonders beliebt. Naturgemäß war das Sieden von Gebäck in großen Pfannen bei offenem Herdfeuer die schnellste und einfachste Art der Zubereitung. So „haute“ der Zuckerbäcker bei großem Andrang schnell und in großen Mengen runde, ballförmige Teigstücke in die Fettpfanne, die rasch gebacken waren. Man nannte diese „Kuchen aus der Pfanne“ sinnigerweise „Pfann-kuchen“, genauer gesagt „Berliner Pfannkuchen“, die vielfach schlichtweg als „Berliner“ bezeichnet wurden. Ob sie gefüllt waren, darüber ist leider nichts Genaues bekannt.

In den 1795 in Berlin notierten Rezepten von Friedérique Charlotte Fontane, der Großmutter Theodor Fontanes, sind ebenfalls entsprechende Rezepte für ungefüllte Pfannkuchen oder „Kreppels“ vermerkt. Auch im Ausland setzte sich das Gebäck durch; in der Schweiz beispielsweise wurde es 1795 unter den Namen „Berliner-Zuckerbrod“ oder „Berlinerbrod“ aufgeschrieben. Überhaupt müssen Berliner Pfannkuchen im späten 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert zu den ganz vornehmen Gebäcken gezählt haben.  

Wie genau, wann genau und wodurch der gefüllte Berliner Pfannkuchen gerade in Berlin populär wurde, davon kündet offenbar kein genauer Bericht. Spätestens um 1880 boten die Straßen-Pfannkuchenbäcker und -bäckerinnen das Backwerk überall an. Dass die Preußen beim Wiener Kongress und den damit verbundenen verschwenderischen Banketten den gefüllten Wiener Krapfen kennengelernt und nach Berlin „exportiert“ haben könnten, muss aber reine Spekulation bleiben. Schließlich waren ungefüllte Pfannkuchengebäcke vor allem zu Silvester und Neujahr in Berlin ja schon lange bekannt, ebenso in Ost- und Westpreußen, wo man den gefüllten Berliner in den ländlichen Gebieten allerdings erst ab 1920 kennengelernt hat.

Fettgebäcke als Festtagsgerichte

Ohnehin sollte nicht vergessen werden, dass diese und andere Siedegebäcke nicht nur in süßer Form und ausschließlich zur Fastnacht gebacken wurden. So spielten auch die einfachen rustikalen Strauben aus Milch, Mehl und Eiern auf dem gedeckten Tisch einer bäuerlichen Familie bis in die 1930er Jahre vielerorts eine große Rolle. Der Freitag war früher der Tag, an dem es traditionell Schmalzgebackenes gab, und so waren Strauben als Freitagsgericht bis nach Österreich und Südtirol verbreitet. Aber auch in ganz besonderen Situationen wurden Strauben gegessen: In Neuhausen ob Eck zum Beispiel bekam eine Wöchnerin als stärkende Speise nach der Geburt früher „Straubeze mit Zwetschgenmus“.

Und zum guten Schluss sei im Zusammenhang mit den Strauben ein historischer Hinweis für Heiratswillige gegeben: Wurde früher im Schwarzwald beim Antrittsbesuch eines Verehrers das „Tischtuch aufgelegt und Straubeze“ von den Schwiegereltern in spe gereicht, so hatte die Brautwerbung gute Aussichten auf Erfolg. Tischte der Hausherr hingegen nur Backsteinkäs oder Schnaps auf, war es wohl an der Zeit, sich anderweitig umzuschauen.  

Berliner oder Kreppel - Schmalzgebäck in der Fastnacht
Jetzt lesen

Energiekosten senken mit thermischer Verwertung von Reststoffen

Anlagenbau
/
Getreideforschung
/
Getreideverarbeitung
/
Mühlentechnik
/
Mühlenbau
/
Die Trainingszentren der Bühler AG erzeugen rund 550 t/Jahr Biomasse und möchten die thermisch verwerten.
2024
1/30/2024
Energiekosten senken mit thermischer Verwertung von Reststoffen

Seit der offiziellen Eröffnung im November 2023 versorgt die neue Anlage die Büros von Bühler in Uzwil mit Wärme aus Biomasse. Das Energy Recovery Center (ERC) ist weltweit das einzige Anwendungszentrum dieser Art und Größe. Es dient als Testplattform für Kunden, die weniger Energiekosten durch die Verwertung von Reststoffen, eine bessere CO2-Bilanz und weniger Abfall wünschen.

Es ist das erste Mal, dass Vyncke die Technologie der mehrstufigen Pyrovergasungs-Turbix-Verbrennung für landwirtschaftliche Kraftstoffe eingesetzt.

Lkw bringt ein Ofenteil
Per LKW transportierte Vyncke die Kesselteile nach Uzwil.

Verschiedene Biomasse-Nebenströme, die in den Prozessen der Mühlenbetriebe und Lebensmittelhersteller anfallen, werden in Uzwil entweder einzeln oder in einem Gemisch verbrannt. Das ERC wird von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) wissenschaftlich unterstützt, um Forschungsergebnisse und die weitere Verwendung von Kesselasche zu bewerten, etwa als Dünger oder Baustoff. „Mit dem Energy Recovery Center und den Anwendungs- und Trainingszentren haben unsere Kunden die ideale Plattform und die Expertise, um sicherzustellen, dass ihre Investitionen in die Zukunft erprobt sind,“ sagt Johannes Wick, CEO Grains & Food bei Bühler.

Johannes Wick, CEO of Grains & Food bei Bühler, möchte Kunden neue Prozesse für eine nachhaltigere Produktion anbieten.

Mühle + Mischfutter sprach mit Ikram Chahlaoui, Management Trainee und Assistentin der Abteilung Grains & Food über Möglichkeiten und Marktchancen der Anlage.

Ikram Chahlaoui freut sich auf die ersten gemeinsamen Versuche mit Kunden dieses Jahr.

M+M: Haben Mühlenbetriebe bereits Versuche durchgeführt oder sich dafür angemeldet?

Ikram Chahlaoui: Bisher wurde das ERC für die Beheizung der Bühler Büros in Uzwil mit Biomasse (Nebenströme) aus unseren Anwendungs- und Trainingszentren eingesetzt, d.h. es wurden noch keine Kundenversuche durchgeführt. Es gibt jedoch eine Reihe von Kundinnen und Kunden, die an der Durchführung von Versuchen mit ihren Nebenströmen interessiert sind, und wir freuen uns sehr darauf, ab diesem Sommer gemeinsam mit ihnen das energetische Verwertungspotenzial ihrer spezifischen Biomasse zu untersuchen.

M+M: Wo sehen Sie einen Markt für die Lösungen von Vyncke in der D-A-CH-Region? Gibt es hier ausrechend große Mühlen?

Ikram Chahlaoui: Vyncke bietet erstklassige Kessel für alle Arten von Reststoffen an. Unser belgischer Partner entwirft und baut ökologische und saubere Energiesysteme, in denen Biomasse und Abfälle verbrannt wird, um thermische Prozessenergie von 1-100 Megawattstunden (MWh) und elektrische Energie von 0,5-15 Megawatt elektrisch (MWe) zu erzeugen. Wenn wir die Marktchance betrachten, bewerten wir die Effizienz eines Energiesystems, das zum Beispiel in den Mahlprozess integriert ist. Durch unsere Partnerschaft und unser Anwendungszentrum konzentrieren wir uns hauptsächlich auf biogene Nebenströme aus der Agrar- und Lebensmittelindustrie. Wir alle wissen, dass diese Branche mit steigenden Energiepreisen, Anforderungen an die Rentabilität und gesellschaftlichen und politischen Forderungen nach einer Reduzierung der Emissionen konfrontiert ist. Infolgedessen wächst sowohl die Nachfrage als auch der Druck auf unsere Kunden, Innovationen zu entwickeln und alternative Wege zu finden - weltweit und insbesondere in der EU und der D-A-CH-Region, wo Umweltvorschriften immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Drei Arbeiter schrauben an einem Kessel
Gemeinsam bauen Monteure von Bühler und Vyncke die Anlage in Uzwil ein.

Weg von fossilen Brennstoffen hin zu nachhaltigeren Produktionen

Vyncke ist seit 1912 auf Verbrennungstechnologien spezialisiert. Mit über 4000 Einsatzerfahrungen in verschiedenen Branchen ist Vyncke führend in seinem Fachgebiet. Vynckes Lösungsangebot umfasst Dampf- und Heißwasserkessel, Thermalölerhitzer, Heißgasgeneratoren, KWK-Anlagen und Multimedia-Energieanlagen.

Hauptsitz ist in Westflandern, mit Niederlassungen in Brasilien, Elfenbeinküste, Spanien, Deutschland, Tschechien, Thailand, Malaysia, Singapur und China. Heute wird das Familienunternehmen in der 4. Generation geführt. Mühle + Mischfutter sprach mit Stefan Maier, Leiter Vyncke Deutschland über die Chancen der thermischen Verwertung für Mühlenbetriebe.  

Portrait vom Leiter Vyncke Deutschland
Stefan Maier, Leiter Vyncke Deutschland, sieht in der Verwertung der Reststoffe viel Potenzial für Mühlenbetriebe.

M+M:  Ab welcher Größenordnung lohnt sich die thermische Verwertung von Reststoffen mit einer Anlage von Vyncke für Mühlenbetriebe? Wieviel Reststoffe benötigt der Betrieb?

Stefan Maier: Die Wirtschaftlichkeit von Energieanlagen für die Mühlenbetriebe beginnt bei einer thermischen Leistung von mehr als 3MW, was einem Brennstoffeinsatz von mindestens 1t/h entspricht.

M+M: Was kann ein Mühlenbetrieb in dieser Größenordnung an Energie einsparen und wie hoch sind die Investitionskosten?

Stefan Maier: Die Verfügbarkeiten unserer Anlagen liegen bei mehr als 8 000h/a. Dementsprechend können 24 000 MWh/a fossil erzeugte Prozessenergie bzw. –dampf eingespart werden. Üblicherweise wird in Mühlenbetrieben überwiegend elektrische und keine thermische Energie benötigt. Insofern macht eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK) Sinn, bei der sowohl elektrische als auch thermische Energie erzeugt wird. In diesem Fall werden zusätzlich ca. 600 kWel oder 4800 MWel/a Strom generiert. Eine ideale Konstellation liegt dann vor, wenn die anfallende Prozessenergie vollständig z.B. in Trocknungsanlagen oder nachbarschaftlichen Betriebe genutzt werden kann.

Die Investitionskosten müssen für jedes Konzept und jede Leistung separat ermittelt werden. Zu beachten ist, dass das Förderprogramm der BAFA - Energie- und Ressourceneffizienz (EEW) - angewendet werden kann, das bis zu 55% (für KMU) der Investitionssumme bezuschusst.  

M+M: Planen Sie die Entwicklung kleinerer Anlagen?

Stefan Maier: Der Bau von Energieanlagen unter 3MW wird bei Vyncke im Auge behalten. Zunächst ist es aber wichtig, von der Versuchsanlage in Uzwil die ersten Verbrennungsergebnisse zu erhalten. Danach lässt sich sicherlich mehr dazu sagen.

M+M:  Was, wenn die Energiepreise weiter sinken? Gibt es dennoch Argumente für Ihre Lösungen?

Stefan Maier: Auf jeden Fall gibt es schlagkräftige Argumente für eine Biomasse-Energieanlage: Auch bei kurzfristig „günstigen“ Preisen für fossile Brennstoffe gilt es doch als sicher, dass diese langfristig teurer als regenerative Energie sein werden. Der politisch vorgegebene stufenweise Preisanstieg für CO2-Zertifikate, die beim Einsatz von fossilen Brennstoffen erworben werden müssen, werden einen wirtschaftlichen Betrieb in der Zukunft nicht mehr möglich machen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die Verkaufspreise der Produktionsrückstände sinken werden, da diese hauptsächlich in der Tierfuttermittelindustrie eingesetzt werden, deren Bedarf sich aufgrund des rückläufigen Fleischverzehrs verringern wird.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Tatsache, dass man sich mit einer Biomasse-Energieanlage von den Marktpreisen der fossilen Brennstoffe unabhängig macht. Das heißt, dass man trotz weltweit unvorhersehbarer Ereignisse, die einen direkten Einfluss auf den Gas- und Ölpreis haben, mit stabilen Energiepreisen kalkulieren kann.

M+M: Wie hoch ist der Aufwand für Wartung, Reinigung und Pflege?

Stefan Maier: Die Energieanlage wird automatisch ohne ständige Beaufsichtigung betrieben. Der Wartungs- und Reinigungsaufwand ist überschaubar, er spielt bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung eine untergeordnete Rolle.

M+M: An wen können sich interessierte Mühlenbetreiber wenden? Und wie sähe eine Beratung aus?

Stefan Maier: Interessierte Mühlenbetreiber können sich entweder an mich oder die Bühler Group wenden. Wir beraten individuell, je nachdem, was erforderlich ist. In einem ersten Teams-Meeting geben wir erste Informationen, wie eine wirtschaftliche Energielösung aussehen könnte.

M+M: Sind Anbindungen wie die Gewinnung von Pflanzenkohle bei Vyncke in der Planung?

Stefan Maier: Die Gewinnung von Pflanzenkohle ist momentan bei Vyncke keine Option. Es wird gerade untersucht, inwieweit die Asche von biogenen Brennstoffen als Pflanzendünger verwendet werden kann. Die Asche aus der Kakaoschalenverbrennung kann hierfür schon in den Niederlanden genutzt werden.

Plastiktüten mit Getreideresten
Im Energy Recovery Center werden Nebenströme, wie Weizenkleie, Reishülsen und Kakaoschalen getestet.
Energiekosten senken mit thermischer Verwertung von Reststoffen
Jetzt lesen
Getreide
Mühle + Mischfutter Online Logo Small
Baden-Württemberg

Biomasse-Heizanlagen für kleinere Restmengen in Mühlen

Anlagenbau
/
Mühlentechnik
/
Es gibt kaum Firmen, die geeignete Heizanlagen für Reststoffe aus Mühlen vertreiben. A.P. Bioenergietechnik ist eine.
2024
1/30/2024
Biomasse-Heizanlagen für kleinere Restmengen in Mühlen

Andreas Seibl ist Produktionsleiter der Farina Mühle in Graz. Der begeisterte Müller ist innovativ, auch wenn es um die Energiegewinnung geht. Er hat deshalb schon früh eine Getreidestaubheizung der deutsche Firma A.P. Bioenergietechnik GmbH eingebaut.

„Wir sind als Hersteller der Ökotherm-Biomasse-Heizanlagen seit den 1980er-Jahren am Markt und vertreiben die Anlagen weltweit“, erklärt Philipp Schneider, technischer Projektleiter und verantwortlich für die Lösung der Farina Mühle. In Deutschland gibt es kaum Firmen, die geeignete Heizanlagen für Reststoffe aus Mühlenprozessen vertreiben. Mühle + Mischfutter sprach mit Philipp Schneider für welche Betriebsgrößen er Lösungen anbietet.

Für Philipp Schneider, technischer Projektleiter, ist es eine Herausforderung, Brennstoffe aus Mühlenresten technisch sauber thermisch zu verwerten

M+M: Brauchen Mühlenbetriebe eine bestimmte Größe und wieviel Reststoffe benötigt der Betrieb für den sinnvollen Einsatz?

Philipp Schneider: Grundsätzlich sind unsere Heizanlagen für alle Betriebe geeignet, in denen nach der Produktion Biomasse übrigbleibt, die keiner weiteren Verwendung zugeführt wird oder die evtl. sogar entsorgt werden müsste. Unsere Ökotherm-Heizanlagen umfassen ein Leistungs-Spektrum von 50 bis 950 kW Leistung, es muss jeweils individuell geprüft werden, welche Heizleistung für den Betrieb passend ist. Soll beispielsweise eine bestehende Heizung ersetzt werden oder wird zusätzliche Leistung benötigt?

Hier ein Rechenbeispiel zu den Mengen, am Beispiel einer 250-kW-Heizung, um es etwas anschaulicher zu machen:

Bei normalem Heizbetrieb gehen wir von ca. 1800 Volllast-Betriebsstunden der Heizung pro Jahr aus. Für 1 kg Biomasse aus Mühlenreststoffen nehme ich einen durchschnittlichen Heizwert von ca. 4,3 kWh/kg an. Angenommen, eine Heizung mit 250 kW Leistung soll ersetzt werden, dann benötigt man ganz grob 120 t Material pro Jahr: 250 kW Nennleistung bei einem Wirkungsgrad der Heizung von 90% entspricht einer Feuerungsleistung von 277 kW (Energie, die in die Heizung „reingeschoben“ wird). 277 kW/4,3 kWh/kg = 65 kg Brennstoff wird pro Stunde benötigt.  65 kg mal 1800 Stunden sind gerundet ca. 120 t.  Entsprechend sind es bei einer 500-kW-Heizung dann 230 bis 240 t pro Jahr usw.

M+M: Gibt es Richtlinien für die Zulassung solcher Anlagen?

Philipp Schneider: Grundsätzlich sind die Anlagen in Deutschland genehmigungsfähig nach 4. BImSchV (BundesImmissionsSchutzVerordnung). Es muss bei der entsprechenden Stelle (meistens das zuständige Landratsamt) ein Antrag für die Errichtung der Heizanlage eingereicht werden. Wir selbst reichen diese Anträge nicht ein, das machen unsere Kunden selber oder ein beauftragter Energieberater. Die Mitarbeiter der Landratsämter haben meist wenig Erfahrung mit dieser Art von Heizung, damit kann sich der Genehmigungsprozess erheblich in die Länge ziehen, obwohl man ja „nur“ eine Heizung installieren will.

M+M: Wie hoch sind die Investitionskosten?

Philipp Schneider: Eine Aussage zu den Investitionskosten ist schwierig, da es natürlich ganz stark von der installierten Heizanlage abhängt. Zusätzlich kommt es darauf an, welches Brennstoffzuführsystem genutzt wird, welche Filtertechnik zum Einsatz kommt, wie ist die Installation vor Ort ist (Verkabelung, Wasserverrohrung, Kaminbau). Vorteilhaft ist, dass die Reststoffe günstig sind bzw. kostenlos im Betrieb anfallen und zur Wärmegewinnung genutzt werden können. Und natürlich kann der Betrieb seinen CO2-Fußabdruck senken und alle damit zusammenhängenden Vorteile nutzen.

M+M: Es gibt Kritiker, die den hohen Aufwand bei der Wartung, Reinigung und Pflege bemängeln.

Philipp Schneider: Natürlich ist der Aufwand höher als bei einer Gas- oder Ölheizung, da in solchen Heizungen ein genormter Brennstoff eingesetzt wird und wenig bis keine Stoffe wie z.B. Mineralien (Asche) stören. Man muss berücksichtigen, dass eine Multifuel-Biomasseheizung eine im Betrieb integrierte eigenständige Maschine ist, die viele Stunden Laufzeit pro Jahr arbeitet und die Temperaturen von über 1000°C bei der Verbrennung erzeugt. Bei anderen Maschinen die hundert oder auch tausend Stunden im Jahr in Betrieb sind, ist es völlig selbstverständlich regelmäßig Wartungen und Reinigungen durchzuführen.

Ich erkläre es immer so: Im Durchschnitt haben Sie vielleicht 5-10 Minuten Arbeit mit der Heizung am Tag. Die meiste Zeit müssen Sie kurz prüfen, ob alles in Ordnung ist. An anderen Tagen machen Sie in 10-15 Minuten die kleinen Reinigungsarbeiten. Alle paar Wochen stehen Arbeiten an, die etwas länger dauern. Ein- oder zweimal im Jahr stehen je nach Laufzeit eine größere Reinigung und Wartung an, bevorzugt im Sommer, wenn die Anlagen nicht laufen. In der Summe sind die Zeiten nicht so dramatisch und können in den normalen Betriebsablauf integriert werden.

M+M: An wen können sich interessierte Mühlenbetreiber wenden? Und wie sähe eine Beratung aus?

Philipp Schneider: Grundsätzlich kann man sich direkt an uns wenden. Auch der örtliche Heizungsbauer oder Energieberater kann helfen. Bisher wurde hauptsächlich mit Öl, Gas oder Holzpellets/-hackschnitzeln geheizt und wenig mit Reststoffen. Es wird dann erst einmal festgestellt, welche Heizleistung benötigt wird, welche Brennstoffmengen zur Verfügung stehen und ob evtl. auch weitere biogene Brennstoffe in Frage kommen. Basierend darauf wird das Brennstoffzuführsystem und die passsende Filtertechnik ausgelegt und wenn gewünscht eine Aufstellskizze erstellt. Die geplante Einbindung in den Betrieb oder das bestehende Heizungsnetz erfolgt durch den Betreiber bzw. durch örtliche Handwerksbetriebe.

Weitere Informationen zur thermischen Reststoffverwertung gibt es bei:

DBFZ – Deutsches Biomasse Forschungszentrum,

FNR – Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe,

C.A.R.M.E.N. e.V.

Biomasse-Heizanlagen für kleinere Restmengen in Mühlen
Jetzt lesen
Getreide
Mühle + Mischfutter Online Logo Small
Bayern

Zusätzliche Einnahmen dank CO2-Zertifikaten

Anlagenbau
/
Mühlentechnik
/
Das Cleantech-Startup Circular Carbon setzt auf Pflanzenkohle und Karbonisierungsanlagen.
2024
1/30/2024
Zusätzliche Einnahmen dank CO2-Zertifikaten

In Hamburg hat Circular Carbon bereits die größte Verkohlungsanlage in Deutschland igebaut. Zusammen mit einem dort ansässigen Kakaoproduzenten entstand Dampferzeugung mittels Biomasse aus Kakaoschalen (siehe: www.mühle-mischfutter.de). Eiweiße und Lignocellulose in den Schalen werden im Pyrolyse-Reaktor unter Abschluss von Sauerstoff und bei ca. 600°C aufgebrochen – und in Gas einerseits und Pflanzenkohle andererseits verwandelt. „Pflanzenkohle ist ein Schlüsselelement für einen nachhaltigen Lebenswandel“, sagt Felix Ertl, CEO von Circular Carbon. Mühle + Mischfutter sprach mit dem Unternehmer, ob der Stoff für die Getreideverarbeitung Chancen bietet und helfen kann, klimaneutral zu werden.

Felix Ertl, CEO von Circular Carbon.

M+M: Was benötigen Mühlenbetriebe, wenn sie Pflanzenkohle gewinnen möchten?

Felix Ertl: Eine Karbonisierung findet unter Abschluss von Sauerstoff bei 400-700°C statt. Dadurch entsteht statt Asche Pflanzenkohle und ein Pyrolysegas, was dann in einer Brennkammer sauber verbrannt wird, wodurch Energie zur Dampferzeugung, für Heißwasser oder zur Stromerzeugung frei wird. Es handelt sich also um eine Teilverbrennung der Biomasse, welche wirtschaftlich und technisch Vorteile bringt. Technisch ermöglichen unsere Pyrolyseöfen den Einsatz von Reststoffen, die auch einen sehr niedrigen Ascheerweichungspunkt haben und in der Verbrennung zu Schlacke werden.

Wirtschaftlich bieten sich Vorteile, da die Pflanzenkohle ein wertvolles Produkt für die Landwirtschaft ist und damit zusätzlich CO2-Zertifikate generiert werden können, aufgrund des eingelagerten Kohlenstoffes in der Pflanzenkohle. So bindet eine Tonne Pflanzenkohle nach Abzug aller Emissionen ca. 2 t CO2. Dadurch ist die Produktion von Pflanzenkohle eine Carbon Capture and Storage Technologie. Letztendlich hat man statt Kosten für die Aschenentsorgung zwei zusätzliche Einnahmeströme geschaffen.

M+M: Ab welcher Größenordnung ist der Einsatz sinnvoll? Kommt er für Mühlenbetriebe in der D-A-CH-Region in Frage?

Felix Ertl: Es gibt Hersteller kleinerer Pyrolyseanlagen, die man in Eigenregie betreiben kann, wir haben uns auf größere Anlagentechnik spezialisiert. Es bedarf einen Energiebedarf von mindestens ca. 2-3 MW, was einen Einsatz von ca.  500 kg/h Biomasse entspricht. Unsere Pyrolyseöfen bieten wir in drei Modulgrößen an: 2-3 MW, 10-12 MW und 20-24 MW thermische Energie/ Dampf. Reststoffe oder Biomasse aus Mühlenbetrieben sind für die Pyrolyseöfen besonders interessant. Unsere Anlagen arbeiten mit Kleie, Spelzen, Schalen und Stroh. Besonders interessant ist ein Pyrolyseofen für Mühlenbetriebe wie zum Beispiel Hafermühlen, bei denen Reststoffe wie Haferspelzen entstehen und gleichzeitig ein hoher kontinuierlicher Dampfbedarf vorhanden ist.

M+M: Ist der Einbau Ihrer Anbindungen zur Gewinnung von Pflanzenkohle auch nachträglich möglich? Gibt es gesetzliche Vorgaben oder Richtlinien, die die Zulassung für Mühlenbetriebe erschweren oder verhindern können?

Felix Ertl: Ja der Einbau ist nachträglich möglich. Es bedarf etwas mehr Platz als für die reine Verbrennung von Biomasse, da die Pflanzenkohle im Nachgang verpackt und verladen werden muss. Auf die Zulassung von Mühlenbetrieben hat die Energieversorgungsart keinen direkten Einfluss. Sowohl die Verbrennung von Biomasse als auch die Karbonisierung von Biomasse benötigen eine separate Genehmigung.  Um den Genehmigungsprozess kümmert sich Circular Carbon im Rahmen eines Energiecontractings oder unterstützt beim Antrag im Falle eines Verkaufs der Anlage.

M+M: Was kann ein Mühlenbetrieb mit Ihrer Lösung an CO2 einsparen und wie hoch sind die Investitionskosten?

Felix Ertl: Zum einen ist die Energieversorgung aus der Pyrolyseanlage CO2-neutral. Zum anderen bindet die Pflanzenkohle rund die Hälfte des in der Biomasse ursprünglich vorhandenen Kohlenstoffes dauerhaft. Das heißt, dass zur Reduktion durch den Ersatz von fossilen Brennstoffen noch einmal ca. genauso viel CO2 in Form von Pflanzenkohle gebunden wird. Die Investitionskosten sind abhängig von der Größe der Anlage und der Art der benötigten Energie. Man kann aber im Vergleich zur reinen Biomasseverbrennung sagen, dass die Investitionskosten höher sind, und zwar um die zusätzlichen Anlagenteile wie dem Pyrolysereaktor und falls benötigt der Trocknungsanlage für die Biomasse. Höhere Investitionskosten amortisieren sich über die Wertschöpfung der Pflanzenkohle und die damit verbundenen Zertifikate. Nebenbei lässt sich dies auch in einen monetären Vorteil umsetzen, so dass die benötigte Energie im Vergleich zur reinen Verbrennung der Biomasse viel günstiger zu erzeugen ist.

M+M: Beraten Sie auch Mühlenbetreiber? Und wie sähe eine Beratung aus?

Felix Ertl: Circular Carbon kümmert sich um die gesamte Planung eines solchen Projektes. Darüber hinaus bieten wir individuelle Energie-Contracting-Verträge an, mit denen Circular Carbon die Investition und den Betrieb der Anlage übernimmt. Während der Akquise beraten wir, ob und inwiefern ein solches Projekt für einem Mühlenbetrieb Sinn ergibt. Bis zur Ausarbeitung eines gemeinsamen Konzeptes ist unsere Beratung kostenfrei.

Karbonisierungsanlage in Hamburg von Circular Carbon.
Zusätzliche Einnahmen dank CO2-Zertifikaten
Jetzt lesen

Über 200 Unternehmen fordern Wahlfreiheit bei Gentechnik im Essen

EU-Verordnung
/
Nachhaltigkeit
/
Kennzeichnung
/
Lebensmittel
/
200 Deutsche Lebensmittelunternehmen wollen weiter Gentechnik-Lebensmittel kennzeichnen.
2024
1/29/2024
Über 200 Unternehmen fordern Wahlfreiheit bei Gentechnik

Zahlreiche Unternehmen der deutschen Lebensmittelwirtschaft haben sich der Initiative für den Erhalt von Kennzeichnung und Wahlfreiheit bei Gentechnik-Lebensmitteln angeschlossen. In einem gemeinsamen Offenen Brief appellieren sie an Manfred Weber, den Fraktionsvorsitzenden der EVP im Europaparlament (EP) und stellvertretenden Vorsitzenden der CSU, sich für den Erhalt von Kennzeichnung und Wahlfreiheit bei Gentechnik-Lebensmitteln einzusetzen. Anlass der Initiative sind die bevorstehenden intensiven Verhandlungen und Abstimmungen im EP zu der Frage, ob mit neuer Gentechnik hergestellte Lebensmittel in der EU künftig erkennbar bleiben.

In dem Brief wird betont, dass Wettbewerb von der Differenzierung lebt. Das Marktsegment ohne Gentechnik erzeugter Lebensmittel solle im Interesse eines vielfältigen Angebots und der Kunden auch in Zukunft bestehen bleiben. Biodiversität in Natur und Landwirtschaft sei zudem zentraler Baustein von Nachhaltigkeit und damit der Farm-to-Fork-Strategie des Green Deals. Das setze voraus, dass es auch in Zukunft landwirtschaftliche Bereiche ohne Gentechnik geben werde.

Zu den unterzeichnenden Unternehmen gehören u.a. Alb-Gold Teigwaren, Back Bord Mühlenbäckerei, Bauck, Ceralia Getreideprodukte, Denningers Mühlenbäckerei, Die Nudelwerkstatt Magdeburg, Hammermühle, Huober Brezel, Kaisermühle Gänheim, Minderleinsmühle, Mühle Erks, OBEG Hohenlohe, Ölmühle Hartmann, Ölmühle Moog, Teutoburger Ölmühle und Wesermühle.

Andreas Wenning von der Minderleinsmühle betont: „Wir sehen aktuell viele Initiativen, welche den ganz wesentlichen Beitrag der Bio-Landwirtschaft zur Ernährungssicherheit und zur Bewältigung der Klimakrise in ihren Grundfesten zu erschüttern versuchen. Es muss weiterhin eine Wahlfreiheit für Verbraucher geben. Dazu wurde die Gentechnik-Kennzeichnung geschaffen. Darauf muss auch in Zukunft Verlass sein.“

Wolfgang Ahammer von VFI Oils for Life ergänzt: „Für uns als Hersteller, die sich für Lebensmittel ,Ohne Gentechnik‘ und Bio-Lebensmittel engagieren, ist es wichtig, dass dieser Status durch eine konturierte Zulassungspraxis und durch Einhaltung wichtiger marktwirtschaftlicher Prinzipien wie Transparenz auf jeder Verwendungsstufe, Beweislast des Anwendenden und Produkthaftung gesichert wird.“

Über 200 Unternehmen fordern Wahlfreiheit bei Gentechnik
Jetzt lesen

Überwachung der Erdung schützt vor Explosione

Explosionsschutz
/
Fördertechnik
/
Mühlentechnik
/
Verladen
/
Beim Umgang mit Schüttgütern sind immer elektrostatische Aufladungen und die Gefahr von Staubexplosionen zugegen.
2024
1/28/2024
Überwachung der Erdung schützt vor Explosionen

Silofahrzeuge, Big-Bags oder Containerlassen sich nicht dauerhaft „an die Leine legen“. Hier sind temporäre Erdungsverbindungen gefragt. Im einfachsten Fall Erdungskabel mit Erdungszangen. Doch entspricht dies auch dem Stand der Technik? Wie kann man wirklich auf der sicheren Seite sein?

Die Ausgangslage

Organische Schüttgüter sind brennbare Stoffe. Zusätzlich zur

Brandlast

besteht Explosionsgefahr dann, wenn Schüttgüter als Stäube vorliegen. Von brennbaren Stäuben sprechen wir bei Feststoffpartikeln mit Korngrößen von weniger als 0,5 mm. Aufgewirbelt in Luft können diese eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden. Trifft diese explosionsfähige Atmosphäre mit einer Zündquelle, wie z.B. einer heißen Oberfläche oder einer elektrostatischen Entladung, zusammen, kann es zu einer Explosion kommen.

Wenn nicht anderweitig nachgewiesen, sind praktisch alle organischenPulver, Puder oder Mehle als brennbare Stäube anzusehen – genauso wie der Abrieb grobkörniger Schüttgüter, von Granulaten oder Pellets. In der Nahrungsmittel-, Futtermittel- oder Getreidewirtschaft gehen Brand- und Explosionsgefahren folglich immer unmittelbar von den Einsatzprodukten und Erzeugnissen aus. Brand- und Explosionsgefahren sind in jedem Betrieb anzutreffen.

Beispiele für brennbare Stäube

–   Mehl (Weizen, Roggen, Gerste, Soja)

–   Stärke(Kartoffel, Weizen, Mais, Erbsen)

–   Kleber/Gluten (Mais, Weizen)

–   Puder-, Kristallzucker

–   Kakao, Kaffee

–   Milchpulver

–   Fleisch-, Fischmehl

–   Holzspäne

–   Fettkonzentrate, Vormischungen, Zusätze

–   Mischstaub (Filteraustrag, Fegegut, Ablagerungen)

Entstehung elektrostatischer Aufladungen

Elektrostatische Aufladungen entstehen meist durch Kontaktaufladung. Wenn zwei zuvor ungeladene Gegenstände in Berührung kommen, erfolgt an ihrer gemeinsamen Grenzfläche ein Ladungsübergang. Bei der nachfolgenden Trennung trägt jede Oberfläche einen Teil dieser Ladung. Die tatsächliche Höhe der Aufladung ist nur sehr schwer vorherzusehen.

Kontaktaufladungen können an allen Grenzflächen zwischen festen und/oder flüssigen Phasenerfolgen. Bei Schüttgut ist dies ist z. B. beim Mischen,Mahlen, Sieben, Schütten, Zerkleinern oder beim pneumatischen Transport der Fall. Ladungen, die nicht rekombinieren, zur Erde abfließen oder auf andere Art und Weise abgeleitet werden, verbleiben auf der Oberfläche des aufgeladenen Materials. Verursacht ein Schüttgut eine Staubwolke, ist von relativ langen Zeiten auszugehen, bis eine Rekombination stattgefunden hat (>>0,2 s) – die Umgebungsluft isoliert die Staubpartikel und verhindert den Ladungsabfluss.

Wenn die durch die Aufladung erzeugte elektrische Feldstärke eine bestimmte Größe erreicht (Durchbruchfeldstärke der Atmosphäre, Durchschlagspannung eines Materials etc.) kommt es zur Energiefreisetzung in Form einer Entladung. Für Schüttgüter zündwirksam sind in der Regel nur Funken-, Gleitstielbüschel- sowie Schüttkegelentladungen. Schutzmaßnahmen sind z. B. gegen Funkenentladungen die elektrostatische Erdung, gegen Gleitstielbüschelentladungen die Begrenzung der Durchschlagspannung des Materials oder gegen Schüttkegelentladungen Festlegungen zum Silodurchmesser und zur Füllgeschwindigkeit. Geerdet im elektrostatischen Sinne sind leitfähige Gegenstände, Flüssigkeiten und Schüttgüter mit einem Ableitwiderstand ≤106 Ohm [TRGS727].

Der gesetzliche Rahmen

Ausgangspunkt für den betrieblichen Explosionsschutz ist die Gefährdungsbeurteilung. Sie beinhaltet eine systematische Bewertung aller potenziellen Gefahren am Arbeitsplatz und ist gesetzlich durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG, § 5) und die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, § 6) gefordert. Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung ist wiederum das sogenannte Explosionsschutzdokument, welches das Ergebnis der Beurteilung der Gefährdungen durch explosionsfähige Gemische, die Darlegung des Explosionsschutzkonzeptes, die Einteilung in explosionsgefährdete Bereiche(Zonen), die festgelegten Explosionsschutzmaßnahmen, deren Umsetzung sowie Überprüfung beinhaltet. Bei den Explosionsschutzmaßnahmen ist die Reihenfolge der anzuwendendenMaßnahmen dahingehend zu beachten, dass die Vermeidung der Bildung einer gefährlichen explosionsfähigen AtmosphäreVorrang hat. Wenn das nicht möglich ist, ist das Wirksamwerden von Zündquellen zu vermeiden. Hierunter fallen auch die Maßnahmen zum Schutz vor gefährlichen elektrostatischen Aufladungen, z. B. durch elektrostatische Erdung. Erst wenn die vorgenannten Maßnahmen nicht möglich sind, kommt der sogenannte tertiäre Explosionsschutz in Betracht (Explosionsunterdrückung, Explosionsdruckentlastung, explosionsfeste Bauweise). Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren.

Technische Regel TRGS 727

Der anzuwendende Stand der Technik wird durch technische Regeln dargelegt. Zur Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen ist in Deutschland die technische Regel TRGS 727 heranzuziehen. Bezüglich Elektrostatik beim Umgang mit Schüttgütern heißt es hier:

Für die Beurteilung der Zündempfindlichkeit eines Schüttgutes ist die Mindestzündenergie (MZE) der feinsten auftretenden Partikelfraktion zu Grunde zu legen. Erfahrungsgemäß muss beim Umgang mit Schüttgut mit elektrostatischen Aufladungen gerechnet werden. Schüttgüter und Schüttgutbehälter sind so zu handhaben bzw. zu betreiben, dass gefährliche Aufladungen vermieden werden. Gefährliche Aufladungen können sich sowohl auf dem Schüttgut als auch auf dem Schüttgutbehälter ansammeln.

Beim Entleeren von Behältern mittels Schwerkraft sind in der Regel im zu entleerenden Behälter keine gefährlichen Aufladungen des Schüttgutes zu erwarten. Zu beachten ist, dass jeder Entleervorgang für das Schüttgutaufnehmende System einen Befüllvorgang darstellt. Leitfähige und ableitfähige Behälter müssen beim Befüllen und Entleeren geerdet bzw. mit Erde verbunden sein.

Bei Anwesenheit brennbarer Gase oder Dämpfe muss je nach ihrer Konzentration mit der Entzündung einer explosionsfähigen Gas- oder Dampfatmosphäre oder mit der Entzündung eines sogenannten hybriden Gemisches (Gemisch aus brennbaren Gasen/Dämpfen und Stäuben mit Luft) gerechnet werden. Die Mindestzündenergie liegt meist niedriger als die des reinen Staubes.[TRGS 727]

Die gelebte Praxis

Das Bewusstsein für Explosionsgefahren durch elektrostatische Aufladungen ist in den Betrieben und bei den Verantwortlichen erfahrungsgemäß subjektiv. Insbesondere zwei Faktoren scheinen dieses zu bestimmen: Erstens, die Größe (Länge, Breite, Volumen) des sich möglicherweise aufladenden Behälters. Zweitens, die Stoffart, und hierbei besonders, ob es sich um eine brennbare Flüssigkeit oder einen brennbaren Feststoff handelt. Praktische Konsequenz dieser subjektiven Einschätzung ist, dass an Verladestellen für Tankfahrzeuge häufiger Erdungseinrichtungen anzutreffen sind, als an denen für Silofahrzeuge. Gleiches gilt für Füllstellen für Lkw im Gegensatz zu Füllstellen für Kleingebinde.

Zündgefahren durch elektrostatische Entladungen haben immer etwas mit der gespeicherten Energie des aufgeladenen Behälters zu tun. Die nachfolgende Tabelle zeigt die freigesetzte Energie verschiedener aufgeladener Körper bei einer Funkenentladung.

Freigesetzte Energiebei einer Funkenentladung nach TRGS727

Ein Kleinbehälter speichert nur rund ein Fünfzigstel der Energie im Vergleich zu einem Silofahrzeug. Es ließe sich schlussfolgern, dass bei einem Kleinbehälter „eine weniger gründliche“ Erdung ausreichend ist. Das ist natürlich falsch, denn selbst die etwas geringeren Energien des Kleinbehälters können ausreichen, um eine Staubwolke zu entzünden. Mindestzündenergien sind Stoffgrößen, bei Stäuben bis hinab zu1 mJ und geringer:

Neben der Behältergröße wirkt anscheinend auch auf das Gefahrenbewusstsein, ob es sich um eine brennbare Flüssigkeit oder einen brennbaren Feststoff handelt. Bei brennbaren Flüssigkeiten (z.B. Lösemittel, Kraftstoffe) herrscht häufig eine viel höhere Sensibilität vor als bei Feststoffen. Z. B. ist es undenkbar einen Tankwagen zu beladen oder zu entladen, ohne zu erden. Bei Silofahrzeugen, z. B. für den Getreidetransport, sieht es teilweise anders aus. Gleiches ist z. B. bei IBC für brennbare Flüssigkeiten im Vergleich zu Schüttgutcontainern zu beobachten. Und noch etwas fällt auf. Bei brennbaren Flüssigkeiten wird oft mit einem Erdungstestgerät überwacht geerdet, bei Schüttgütern tut es meistens die „einfache“ Lösung aus Erdungszange und Kupferkabel.

Im Sinne der Sicherheit dürfte es diese Unterschiede nicht geben. Staub-Explosionen sind genauso verheerend wie Explosionen brennbarer Dämpfe von Flüssigkeiten. In beiden Fällen können Kleinstmengen brennbaren Materials in Mischung mit Luft zu Explosionen und Folgeexplosionen in angrenzenden Bereichen führen. Beispielhaft sei auf die historischen Schadensereignisse im Kieler Nordhafen, in der Bremer Rolandmühle oder der Imperial-Sugar-Zuckerraffinerie hingewiesen.

Wie mache ich es richtig?

Ausgangspunkt muss eine gründliche Gefährdungsbeurteilung aller Füllstellen für mobile Behälter sein. Hierzu zählen neben den stationären Stellen auch das Umfüllen oder das Handling von Kleingebinden an wechselnden Standorten. Es muss der Grundsatz gelten: Kein Abfüllen oder Umfüllen von brennbaren, staubenden Feststoffen oder brennbaren Flüssigkeiten ohne Maßnahmen zum Schutz vor gefährlichen elektrostatischen Aufladungen. Die notwendigen Maßnahmen zum Explosionsschutz müssen dann ins Explosionsschutzdokument geschrieben und umgesetzt werden. Bei den Maßnahmen zur Erdung kann es zu unterschiedlichen technischen Ausprägungen kommen: von einfachen Erdungskabeln bis hin zu überwachenden elektronischen Erdungsgeräten.

Grundsätzlich gilt: Einfache Erdungszangen mit Kupfer- oder Stahlseilkabel sind besser als gar keine Erdungseinrichtungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Stand der Technik überwachte Erdung mit Erdungstestgeräten kennt.

Überwachte Erdung

Bei der überwachten Erdung werden sogenannte Erdungstestgeräte eingesetzt, die den Status der Erdungsverbindung messen und dies dem Bediener anzeigen. Diese Geräte haben üblicherweise eine optische Anzeige für den lokalen Bediener. Leuchtet diese rot, bedeutet dies, dass keine zuverlässige Erdung erkannt wurde. Eine grün leuchtende Anzeige zeigt dem Bediener, dass eine Erdungsverbindung vorliegt bzw. durch das Gerät hergestellt wurde. Die bei der Verladung auftretenden elektrostatischen Aufladungen werden dann zuverlässig abgeleitet.

Lkw mit Kabel zur Erdung
Erdungstestgerät mit Erdungskabel und Zange zur Kontaktierung eines Lkw.

Der Vorteil von Erdungstestgeräten ist, dass sie die Eignung der Erdungsverbindung messen und dem Bedienerzweifelsfrei anzeigen, ob ein Behälter geerdet ist oder nicht. Bei den einfachen Erdungskabeln, d. h. ohne messtechnische Überwachung, weiß der Bediener nicht, ob tatsächlich eine leitfähige Verbindung vorliegt. So kann es zum Beispiel sein, dass eine verschmutzte lackierte oder anderweitig nicht leitfähige Stelle am Behälter kontaktiert wurde. Zudem kann ein unerkannter Bruch im Erdungskabel vorliegen oder durch Korrosion die Verbindung zur Erdungsschiene beeinträchtigt sein. Ein zweiter wesentlicher Vorteil von Erdungstestgeräten ist, dass es diese auch mit einer sogenannten Objekterkennungsfunktion gibt. Diese schalten nur dann auf Freigabe („grüne Anzeige“), wenn die zugehörige Erdungszange an ein plausibles Objekt angeschlossen wurde. Diese Technik ist für Lkw (Tankwagen, Silofahrzeuge) sowie für FIBC Typ C erhältlich. Begeht der Bediener – absichtlich oder aus Unwissenheit – eine Fehlbedienungund kontaktiert die Erdungszange an das Füllgerüst, verweigert das Erdungsgerät mit Objekterkennung die Freigabe. Ein Erdungstestgerät ohne Objekterkennungsfunktion würde fälschlicherweise das Füllgerüst mit dem Lkw verwechseln, und dort ebenfalls Freigabe erteilen.

Erdungstestgeräte bieten üblicherweise Steuerausgänge (potentialfreieKontakte), um sie in die Verladesteuerung einzubinden (Pumpen,Verdichter, Druckluft, Schieber). Die Verladung kann dann nur stattfinden, wenn das Erdungstestgerät auf Freigabe schaltet. Die Verladung wird sofort unterbrochen, wenn die Erdungsverbindung nicht mehr zuverlässig erkannt wird, z. B. wenn die Erdungszange vom zu erdenden Objekt abgefallen ist. Der ursächlich Elektrostatik erzeugende Prozess ist gestoppt. Bei Erdungsmaßnahmen ohne Einbindung in die Verladesteuerung besteht die Gefahr, dass der Verladeprozess bei entfernter Erdungszange nicht unterbrochen wird. Die elektrostatischen Aufladungen sammeln sich auf dem nicht geerdeten Behälter weiter an und entladen sich schlagartig, wenn ein leitfähiger, geerdeter Gegenstand in die Nähe kommt. Dies kann eine Person sein, aber auch eine Erdungszange, die nachträglich an ein bereits aufgeladenes Objekt angebracht wird.

Erdung eines FIBC Typ C mit Objekterkennung

Fazit

Nur weil man elektrostatische Aufladungen nicht sieht, heißt es nicht, dass sie nicht da sind. Und nur weil bisher im eigenen Betrieb ein zündfähiger Funke noch nicht auf eine Staubwolke getroffen ist, heißt das nicht, dass es auch in Zukunft so bleibt. Arbeitsschutz, Brand- und Explosionsschutz sind unerlässlich und sollten nicht dem Zufall oder glücklichen Umständen überlassen werden. Die gründliche Betrachtung aller Füllstellen hinsichtlich Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen und der Einsatz geeigneter Erdungstechnik ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit in Betrieben, die mit staubenden Schüttgütern umgehen. Vielfältige Hilfestellungen lassen sich in den Technischen Regeln (insbesondere TRGS 727) finden. Die bewusste und fachkundige Umsetzung liegt bei den verantwortlich Handelnden vor Ort.

Überwachung der Erdung schützt vor Explosionen
Jetzt lesen
Mühle
Mühle + Mischfutter Online Logo Small
Nordrhein-Westfalen

Digitales Tool spart Kosten und Zeit

Anlagenbau
/
Mühlenbau
/
Mühlentechnik
/
Dieser Artikel erklärt das Konzept von Mixed Reality aus der Perspektive des deutschen Rohrsystemherstellers Jacob.
2024
1/28/2024
Digitales Tool spart Kosten und Zeit beim Rohrbau

Doch wer ist eigentlich Jacob? Jacob ist europäischer Marktführer für Rohrsysteme nach dem Baukastenprinzip und weltweit präsent. Laufrohrsysteme für Schüttguthandling sowie Entstaubungs- und Abluftanlagen für die Umwelttechnik (Kühlluft/Abluft) sind die großen Einsatzgebiete für das Jacob Rohrsystem. Seit seiner Gründung im Jahr 1924 befindet sich das Unternehmen in Familienhand. Hinter dem, was Jacob tut, steckt ein System: höchste Qualitätsstandards, ein herausragender Innovationsgeist und eine kompromisslose Materialauswahl. Die Innovationsfreude zeigt sich bei der fortwährenden Bestrebung, neue Technologien zu nutzen, um den Service für die Kunden zu verbessern.

Was ist Mixed Reality?

Im Gegensatz zur Virtual Reality, bei der Sie in eine vollständig virtuelle Umgebung eintauchen oder zur Augmented Reality, bei der digitale Elemente in eine reale Umgebung eingefügt werden, kombiniert Mixed Reality (gemischte Realität) beides. Diese Technologie lässt die Grenzen zwischen der realen Welt und der virtuellen Welt regelrecht verschwimmen.  

Mixed-Reality-Systeme verwenden spezielle Brillen oder Headsets, die mit Kameras und Sensoren ausgestattet sind. Diese Geräte erfassen die reale Welt um Sie herum und ermöglichen es Ihnen, digitale Objekte und Informationen nahtlos in diese Welt zu integrieren. Mit anderen Worten, Sie können virtuelle Objekte sehen und mit ihnen interagieren, als wären sie physisch vorhanden. Die Brillen werden mittels Gestensteuerung oder Sprache bedient. Da die Interaktion von Objekten mit den Händen erfolgt, benötigen Sie keinen Controller, denn die Brillen tracken die Hände und ermöglichen es somit, die Objekte greifen und bewegen zu können.

Mixed Reality hat das Potenzial, in verschiedenen Bereichen eine bedeutende Rolle zu spielen. Hier einige Beispiele für unterschiedliche Anwendungsfelder:

Der Rohrverlauf wird in der direkten Umgebung digital geplant.

– Bildung und Training: Studierende könnten in virtuellen Laboren experimentieren und Fachkräfte gefährliche Situationen sicher simulieren. Die Ausbildung an Maschinen und Anlagen kann bereits vor dem Anschluss der Maschinen erfolgen.

– Medizin: Chirurgen könnten holographische Modelle von Organen verwenden, um präzisere Operationen durchzuführen.

– Design und Architektur: Architekten könnten virtuelle Prototypen von Gebäuden erstellen und in der realen Welt testen.

– Unterhaltung: Mixed Reality eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Spiele und Filme, bei denen virtuelle Welten nahtlos mit der realen Welt verschmelzen können.

– Arbeitswelt im Allgemeinen: In der Industrie könnte Mixed Reality helfen, Effizienz und Sicherheit zu verbessern, indem die Technologie sowohl bei der Wartung von Maschinen als auch bei Trainings für Mitarbeitende eingesetzt wird.

Die Brillen funktionieren mit einer Gestensteuerung.

Obwohl Mixed Reality bereits faszinierende Anwendungen bietet, steht die Technologie noch am Anfang ihrer Entwicklung. Ihre Zukunft hängt sowohl von Fortschritten in der Hardware und der Software ab als auch von der Akzeptanz in der Gesellschaft. Datenschutz- und Sicherheitsfragen müssen in allen Anwendungsfeldern ebenfalls berücksichtigt werden. In den kommenden Jahren könnten wir jedoch erleben, wie Mixed Reality unsere Art zu lernen, zu arbeiten, zu spielen und miteinander zu interagieren, grundlegend verändert. Es könnte die Art und Weise, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen, revolutionieren und neue Möglichkeiten schaffen, die heute noch undenkbar erscheinen. Mixed Reality ist nicht mehr nur Science-Fiction – sie ist eine aufregende Realität, die unsere Zukunft gestalten wird.

Wie nutzt Jacob Mixed Reality?

Jacob hatte die ersten Berührungspunkte mit der Microsoft HoloLens während der Corona-Pandemie. Die Technologie wurde genutzt, um damit erfolgreich Remote-Wartungen an den eigenen Anlagen durchzuführen. Erfolgreich waren dabei nicht nur die gelungenen Wartungen, sondern auch der positive finanzielle Aufwand. Die Einsparung bei Reise- und Verpflegungskosten entsprach am Ende den Kosten einer Brille.

Stück für Stück wird die Leitung zusammengesetzt.

Als Entwicklungsumgebung und Hardware nutzt Jacob die Microsoft HoloLens 2. Diese Mixed-Reality-Brille wurde von Microsoft entwickelt und bietet eine beeindruckende immersive Erfahrung, bei der digitale Objekte nahtlos in die reale Welt integriert werden. Nutzer können holographische Elemente in ihrer Umgebung sehen und mit ihnen interagieren. Die Brille ist ein Stand-Alone-System und benötigt keinen Computer oder andere externe Geräte.

Schnell wurde bei Jacob realisiert, dass die Technologie großes Potenzial auch für weitere Anforderungen und Zwecke birgt und somit nachhaltig Prozesse verändern kann.  

Seit nunmehr anderthalb Jahren arbeitet Jacob an der eigenen App, einem digitalen Rohrplanungstool, dem Jacob-Pipeplaner. Bislang planen die Kunden das benötigte Rohrsystem mithilfe von CAD-Programmen und Vermessungen von Räumen und Geländen vor der Planung mittels eines 3D-Laser-Mappings. Dabei liegt die Schwierigkeit darin, die bisherigen Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen. Doch mit dem Pipeplaner wird es ermöglicht, den Rohrverlaufs in der direkten Umgebung digital zu planen und die realen Hindernisse, wie Balken, Träger oder andere Leitungen, zu berücksichtigen. Damit findet die Kollisionskontrolle einhergehend mit dem Planungsprozess statt.  

Planung am Einsatzort ohne PC oder Internetzugang.

Verkürzter Planungsprozess

Mithilfe des Pipeplaners ist es möglich, den Planungsprozess für Rohrleitungen und somit auch des ganzen Projektes drastisch zu verkürzen und Kosten einzusparen. Die Planung findet direkt am Ort des Einsatzes statt – ganz ohne weiteren PC, Internetzugang oder CAD-Programm.

Die Planung mit dem Pipeplaner erfolgt in drei Schritten. Zu Beginn jeder Planung muss der Startpunkt festgelegt werden. Dafür platziert der Planer im Raum einen Punkt, mit diesem Punkt wird auch direkt der Startdurchmesser der Rohrleitung bestimmt. Die Startpunkte lassen sich am einfachsten auf flachen Oberflächen platzieren, so wie Decken, Wänden oder Böden. Und schon kann es losgehen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase macht das Planen mit der App tatsächlich Spaß.  

Dem Planer steht ein Kiosk zur Verfügung, in dem er aus dem Jacob-Standardartikel-Portfolio wählen kann, welches Produkt er verplanen möchte. Ist das Rohrteil ausgewählt, wird dieses an den Startpunkt platziert. Befindet sich dieses Rohrteil bereits in der Nähe der geplanten Rohrleitung, dockt es automatisch an die Leitung an. Das System funktioniert ähnlich wie Klemmbausteine. So baut man sich die Leitung Stück für Stück, Rohr für Rohr zusammen.

Ist die Planung abgeschlossen, kann der Anwender direkt aus der App heraus eine Stückliste exportieren. Diese beinhaltet auch alle benötigten Spannringe und Dichtungen, welche das System während der Planung automatisch zählt. Im Nachgang können Bestellungen und Angebote ganz einfach direkt bei Jacob platziert werden.

Neben der Stückliste/Bestellung wird auch eine Construction-List ausgegeben. Hier sind alle verplanten Rohre nummerisch hinterlegt - beginnend mit dem ersten Rohr der Planung und endend mit dem letzten Rohrteil. Diese Nummerierung findet sich auch in den Bildern wieder, die von der vorabgeplanten Rohrleitung automatisch aus acht Perspektiven im Raum aufgenommen wurden. Mit der Construction-List und den Bildern wird eine Aufbauplanung bereitgestellt, die den Monteuren mitgegeben werden kann. So lässt sich die Montagezeit ebenfalls reduzieren.

Verschmelzen von realer und virtueller Welt.

Der Jacob-Pipeplaner befindet sich aktuell noch in der Testphase, hat aber schon heute großen Anklang auf Events und Messen gefunden. Die Vorteile und Kostenersparnis in der künftigen Rohrplanung sind so überzeugend, dass schon erste Projekte mit Kunden umgesetzt werden konnten. Die HoloLens zeigt auch, wie wichtig es gerade auch für industrielle Unternehmen ist, sich mit den polarisierenden Themen der Zukunft zu befassen.

Digitales Tool spart Kosten und Zeit beim Rohrbau
Jetzt lesen

Lebensmittel nur geringfügig mit Pflanzenschutzmitteln belastet

Biogetreide
/
Ausbildung
/
Lebensmittelüberwachung
/
Lebensmittel
/
Mehl
/
Das BVL hat 2022 nur wenige mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastete Lebensmittel in Deutschland gefunden.
2024
1/25/2024
Lebensmittel nur geringfügig mit Pflanzenschutzmitteln belastet

Dem Bericht liegen mehr als 8,3 Millionen Analyseergebnisse aus 21.601 Lebensmittelproben der amtlichen Lebensmittelüberwachung des Jahres 2022 zugrunde. Bei den überwiegend risikoorientiert durchgeführten Kontrollen wurde auf 1.067 Stoffe untersucht. Die Belastung mit Pflanzenschutzmittelrückständen variiert wie in den Vorjahren abhängig von der Herkunft der Erzeugnisse.

Bei Lebensmitteln aus Deutschland stieg die Anzahl an Überschreitungen der Rückstandshöchstgehalte im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021 von 1,1 % auf 1,3 % leicht an. Bei Produkten aus anderen EU-Staaten sank die Überschreitungsquote auf 1,5 % (2021: 1,8 %). Lebensmittel aus Nicht-EU-Staaten sind deutlich höher belastet: Hier lag die Überschreitungsquote bei 9,8 % (2021: 10,9%).

Häufig verzehrte Lebensmittel wie Karotten, Kartoffeln und Äpfel sowie beliebte saisonale Erzeugnisse wie Erdbeeren und Spargel weisen seit Jahren kaum oder keine Rückstandshöchstgehaltsüberschreitungen auf. Die meisten Überschreitungen (bei Lebensmitteln mit mindestens 100 untersuchten Proben) gab es bei Chiasamen (53,3 %), getrockneten Kräutertees (18,8 %), Granatäpfeln (18,7%), schwarzem und grünem Tee (15,5 %) sowie Bohnen mit Hülsen (13,0 %). Bei verarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln sowie Obst und Gemüse sank die Überschreitungsquote.

Anstieg bei Getreide durch Chiasamen

Dagegen stieg sie bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs sowie Säuglings- und Kleinkindernahrung moderat, bei Getreide deutlich an. Der starke Anstieg bei Getreide um das fast Sechsfache des Vorjahres ist auf die hohe Überschreitungsrate der Rückstandshöchstgehalte für Kupfer (51,4 % der Proben) bei Chiasamen zurückzuführen. In einem Projektmonitoring wurden viele Proben Chiasamen auf Kupfer untersucht. Kupfer wird zwar auch in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Chiapflanzen nehmen aber auch anderweitig im Boden enthaltenes Kupfer verstärkt auf und speichern es im Samen. Das Problem wird bereits auf europäischer Ebene diskutiert.

Wirkstoffe und Mehrfachrückstände

Bei 195 Wirkstoffen (18,3 %) wurden Überschreitungen der Rückstandshöchstgehalte festgestellt. Die Überschreitungsquoten lagen pro einzelnen Wirkstoff bei maximal 2,0 %. Nur bei Kupfer lag sie mit 5,0 % höher. Bei rund einem Drittel aller untersuchten Proben wurde mehr als ein Wirkstoff nachgewiesen. Bei Lebensmitteln, von denen mehr als 100 Proben untersucht wurden, wiesen mehr als drei Viertel der Proben Mehrfachrückstände auf. Dies betraf vor allem Kirschen, Mandarinen, Tafeltrauben, Orangen, Grapefruit und Pfirsiche/Nektarinen, Erdbeeren, Rosenkohle, Birnen, Himbeeren und Aprikosen.

Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln sind nur dann zulässig, wenn sie die geltenden Rückstandshöchstgehalte nicht überschreiten und demnach gesundheitlich unbedenklich sind. Eine Überschreitung des festgesetzten Rückstandshöchstgehalts ist aber im Umkehrschluss nicht gleichbedeutend mit einem gesundheitlichen Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Festsetzung eines Höchstgehaltes erfolgt ausgehend von der Menge an Rückständen, die bei ordnungsgemäßer Anwendung des Pflanzenschutzmittels zu erwarten ist. Ein Risiko für die Gesundheit darf dabei nicht gegeben sein. Daher können die Rückstandshöchstgehalte deutlich unterhalb der gesundheitlichen Bedenklichkeit liegen.

Weitere Informationen mit Tabellen und allen Ergebnissen auf der Homepage des BVL.

Lebensmittel nur geringfügig mit Pflanzenschutzmitteln belastet
Jetzt lesen

Mehl Verstehen und Mehl Verbessern

Getreideforschung
/
Brotgetreidemühlen
/
Lebensmittel
/
Laboranten
/
Mehl
/
MC Mühlenchemie, der Marktführer bei Mehlzusätzen, ist weltweit im Einsatz u. a. gegen versteckten Hunger.
2024
1/23/2024
Mehl Verstehen und Mehl Verbessern


Das Unternehmen, welchem heute Torsten Wywiol als CEO der Stern-Wywiol-Gruppe vorsteht, wurde bereits 1923 in Frankfurt gegründet. Volkmar Wywiol, Gründer der Stern-Wywiol-Gruppe, übernahm das Traditionsunternehmen 1990. Er wollte ein zweites Geschäftsfeld für Enzyme aufbauen und brauchte dafür ein Unternehmen, welches die Zutaten mischen konnte. Das Traditionsunternehmen hatte zu dem Zeitpunkt sieben Mitarbeiter und der Verkaufsleiter wollte kündigen. Als dann noch die Finanzierung auf der Kippe stand und die Bank ausstieg, sah der Kauf der Mühlenchemie nach einem kolossalen Reinfall aus. Aber dank pfiffiger Ideen und treuer Wegbegleiter von Volkmar Wywiol wurde alles gut. „Die Mühlenchemie ist heute der Leuchtturm der Stern-Wywiol-Gruppe“, fasste Volkmar Wywiol die Unternehmensgeschichte zusammen.

Als Bindeglied der weltweiten Mühlenindustrie stehen 355 Mitarbeiter im direkten Austausch mit rund 2000 Mühlen in mehr als 150 Ländern. Experten in zwölf Stern-Technology Centern betreuen Partner unter anderem in Mexiko, Indien, China, Kenia, Nigeria, Chile und der Türkei. „Jährlich behandeln wir mehr als 150 Millionen Tonnen Weizen. Unser Herz schlägt in Ahrensburg im Stern-Technology Center „Futuremaker“, so Peter Steiner, Global Head of Business Unit der Mühlenchemie. “Understanding flour bedeutet für mich, mit Kunden einen natürlichen Rohstoff zu optimieren, der sich zu einer grenzenlosen Vielfalt an nahrhaften und preisgünstigen Lebensmitteln verarbeiten lässt.“

Für Peter Steiner ist die Devise „Evolution statt Revolution“. Entsprechend wurde das Logo der Mühlenchemie letztes Jahr modernisiert (Foto: Mühlenchemie).

Bei der Mehlverbesserung geht es vor allem um eines: Eine gleichbleibende Mehlqualität im Rahmen der Mehlstandardisierung sicherzustellen. Das erreichen die Experten der Mühlenchemie dank ausgeklügelter Enzymsysteme. Sie gleichen Qualitätsschwankungen in den Rohstoffen aus und sichern gleichbleibende Backeigenschaften. Die enzymatische Mehlbehandlung ist außerdem die wirtschaftliche Antwort auf Getreidepreisschwankungen und unsichere Verfügbarkeit. Enzyme machen aus Weizenpartien mit minderwertigen Backeigenschaften backfähige Mehle.

In den Laboren in Ahrensburg trifft Know-how auf zahlreiche Analysegeräte und -verfahren, u. a. chromatografische Analysen zur Bestimmung einer enzymatischen Reaktion. Mit dem fotometrischen Enzymanalysator werden viele verschiedene Probetypen auf Enzymaktivität und weitere Parameter analysiert, beispielsweise auf optimale Temperatur- und pH-Wert-Bedingungen. Vom Rohstoff über den Mahlprozess bis zur Anwendung bietet Mühlenchemie Lösungen an. Ob für die enzymatische Behandlung, um konstant hohe Backeigenschaften zu sichern oder in der Fortifizierung gegen Mangelernährung – eigentlich für alles was es braucht, um bestes Brot, feinste Backwaren und leckere Pasta mit gleichbleibender Qualität herzustellen.

Entwicklungsarbeit unterstützen

Die Expertise der Mühlenchemie ist die Weizen- und Mehlanalyse, Mehlstandardisierung und Fortifizierung. In der Forschung, der Entwicklung und der Anwendung können die Techniker und Enzymexperten, Brot-, Sandwich-, Tortilla- und Flatbread-Bäcker sowie Pastakenner der Mühlenchemie eingesetzt werden. In den Anwendungslaboren der zwölf Stern-Technology Centern sind alle industriellen Prozessstufen abgebildet – vom Mahlen des Getreides bis zum Backen, von der Mehlanalyse bis zur Mehlverbesserung, vom Mehl bis zur Pasta. Praxisnah entstehen in Pilotmühlen, Analytiklaboren und Versuchsanlagen Brote und Feinbackwaren, Waffeln, Kekse, Tortilla und Pasta.

Die Futuremaker sind die Techniker und Enzymexperten. Sie bilden alle industriellen Prozessstufen nach – vom Mahlen des Getreides bis zum Backen, von der Mehlanalyse bis zur Mehlverbesserung, vom Mehl bis zur Pasta. (Fotos: Sabine Kemper).

Produktionsstandorte hat die Mühlenchemie nicht nur in Deutschland, sondern auch in China, Indien, Mexiko, der Türkei, Russland, Malaysia und den USA. Im Gegensatz zu Europa, dessen Mitgliedstaaten weitgehend standardisiere Verfahren und Rohstoffqualitäten haben, können Hersteller auf anderen Kontinenten beim Ankauf von Getreide nicht wählerisch sein und müssen nehmen, was kommt.

Vladimir Wengorz, Leiter Technischer Kundendienst, arbeitet gerne mit vielen unterschiedlichen Menschen und Kulturen zusammen. Für einheitliche und gleichbleibende Ergebnisse überall auf der Welt kalibrieren Experten seine Geräte regelmäßig.

Die grundlegende Mehlbehandlung erfolgt mit Enzymsystemen und -verbindungen der Marken Alphamalt, Powerzym und Omnizym. Hinzu kommen Ascorbinsäure und andere Reifungsmittel für Mehl der Marken: ELCO, Calco, Decolox zudem Zutaten wie beispielsweise Gluten, Emulgatoren und Malzmehl der Marken: MCgluten, Mulgaprime und MCmalt. Eine spezifische Mehlverbesserung optimiert die Glutenqualität (MCgluten Enhancer), erhöht die Wasseraufnahme (MCbest WA), kompensiert Keimlings- oder Insektenschäden (Rowelit, MCbest BugStop) oder verlängert die Krumenweichheit (Alphamalt Fresh).

Bei der rheologischen Tiefenanalyse ermitteln die Experten durch Mehlanalytik die rheologischen Eigenschaften von Mehlmustern. Anhand standardisierter Analyseverfahren charakterisieren sie die Eignung von Mehlen.

Weitere Aufgabengebiete sind das Formulieren von Rezepten und die Entwicklung des dafür erforderlichen gebrauchsfertigem Mehls, der Konzentrate und der funktionellen Zutaten wie Emulgatoren. Lebensmittelproduzenten können auch Vitamin- und Mineralstoffvormischungen (ELCOvit) einsetzten, um ihre Mehle anzureichern. Für Teigwaren- und Nudelhersteller finden sich Lösungen für bessere optische und sensorische Eigenschaften wie einen festerer Biss oder weniger Kochverlust. Gedämpfte Teige erhalten ein größeres Volumen, hellere Krume oder glänzende Haut mit Tigerzym und Produzenten von Tortillas und Fladenbrot erzielen ein leichteres Ausrollen ohne Bruch oder eine verlängerte Weichheit mit den Marken MCbestTortilla und Flexizym.

Wer Mehl besser machen will, muss backen. Ohne praxisnahe Anwendungstechnik gibt es keine erfolgreiche Mehlbehandlung. In den modern ausgestatteten Backlaboren entwickeln die Backspezialisten gemeinsam mit Kunden Lösungen zur Mehloptimierung und testen, ob die erwünschte Wirkung eintritt.

Kampf gegen den versteckten Hunger

Seit einigen Jahren arbeitet das Unternehmen mit, um den sogenannten „versteckten Hunger“ zu bekämpfen. Zum Beispiel im Rahmen des Projektes “Smarter Futures” mit der Food Fortification Initiative (FFI), der Global Alliance for Improved Nutrition (GAIN) und dem World Food Programme (WFP). „Viele Staaten haben heute Mineralstoffvorgaben bei Mehl und Lebensmitteln. Oft sind diese mit der WHO abgestimmt“, erzählt Peter Steiner. Nach Angaben der FFI schreiben heute 91 Länder die Anreicherung von Weizenmehl vor, 2002 waren es gerade einmal 38. Immer mehr Regierungen setzen auf die Anreicherung ihrer Grundnahrungsmittel. Die Ahrensburger möchten die Implementierung länderspezifischer Lösungen zur Mehlanreicherung unterstützen, die bereits in den Mühlenbetrieben dem Mehl zugesetzt werden können und beim Bäcker ihre Wirkung entfalten.

Acht Länder, drei Lebensmittel und eine Milliarde Menschen lautet das Motto des Netzwerkes „Millers für Nutrition“ mit Sitz in Arlington, USA. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2026 eine Milliarde Menschen mit angereichertem Mehl, Reis und Speiseöl zu erreichen. Derzeit seien weltweit drei Milliarden Menschen von Mikronährstoffmangel betroffen, so die Schätzung. Dieser Mangel verursache schwere und dauerhafte Gesundheitsprobleme auch in entwickelten Ländern. Die ausreichende Versorgung mit Nährstoffen sei oft nicht gewährleistet, obwohl die Menschen satt sind - deshalb die Bezeichnung „versteckter Hunger“. Müller und örtliche Lebensmittelproduzenten sollen ihre Mehle und andere Grundnahrungsmittel anreichern und mit zur Bekämpfung der Mangelernährung beitragen.

Die ersten acht Schwerpunktländer der Initiative sind Nigeria, Kenia, Tansania, Äthiopien, Indien, Pakistan, Bangladesch und Indonesien. Gründungspartner sind neben der Mühlenchemie,  BASF, Piramal, dsm-firmenich und Sanku. Zusammengehalten wird die Initiative von der Bill & Melinda Gates Foundation und deren Partner Technoserve, welcher die Organisation finanziell und administrativ betreut. Im Oktober 2023 startete die Initiative. Die Mitglieder des Netzwerkes sollen Unterstützung bei der Qualitätssicherung und den Zugang zu modernsten Prüfgeräten und -einrichtungen erhalten. Hinzu kommen Schulungen, Zugang zu Forschungsergebnissen, Publikationen und Produkttests. Mehr dazu unter millersfornutrition.

World Flour Day 2024

Auf Initiative des MehlWelten Museums in Wittenburg wird das „weiße Gold des Lebens“ jedes Jahr am 20. März gefeiert – von New York bis Sydney. Das Datum in der Mitte der Sonnenwende wurde bewusst gewählt: Während in der nördlichen Hemisphäre der Frühling und die Pflanzsaison beginnt, ist auf der südlichen Erdhalbkugel Erntezeit. Die Tage um den 20. März herum sind eine besondere Zeit der Hoffnung und Dankbarkeit. Der 20. März 2024 erinnert daran, dass Mehl alle satt macht – egal auf welchem Kontinent. Mehl ist und bleibt das wichtigste Grundnahrungsmittel. Mehlspenden sind ein großes Thema für die Stern-Wywiol-Gruppe, die den World Flour Day nutzen möchte, um Gutes zu bewirken.

Mehl Verstehen und Mehl Verbessern
Jetzt lesen

Strategischer Denken dank künstlicher Intelligenz

Ausbildung
/
Experte Michael Watkins präsentiert sechs Kernkompetenzen für strategisches Denken mit Künstlicher Intelligenz.
2024
1/17/2024
Strategischer Denken dank künstlicher Intelligenz

Strategisches Denken ist die Fähigkeit, künftige Entwicklungen vorherzusehen, für die Zukunft zu planen, komplexe Fragestellungen zu durchdenken und in ungewissen, sich ständig verändernden Situationen effektive Entscheidungen zu treffen. Für Unternehmen in Zeiten des Umbruchs ist es überlebensnotwendig, sagt Michael Watkins. Sein Buch bietet einen umfassenden und praktischen Weg zu den sechs Kernkompetenzen des strategischen Denkens und eine Fülle von Erkenntnissen und Werkzeugen für Führungskräfte aller Ebenen.

Michael Watkins. ist Experte für Wandlungsprozesse in Unternehmen. Er ist Professor für Leadership and Organizational Change am IMD und Mitbegründer von Genesis Advisers und wurde 2023 in Anerkennung seiner jahrzehntelangen Beiträge zu Management und Führung in die Thinkers 50 Hall of Fame aufgenommen. (Foto Campus Verlag)

Jeder der sechs Kernkompetenzen widmet Watkins ein eigenes Kapitel: Mustererkennung, Systemanalyse, geistige Beweglichkeit, strukturierte Problemlösung, Vision und politisches Geschick. Er erklärt ihre Wirkungsbereiche, ihre Relevanz im Unternehmen und zeigt, wie man sie trainiert. Wer Muster erkennt, erkennt auch Chancen und Risiken und kann sich frühzeitig darauf einstellen. Durch die Systemanalyse entsteht ein vereinfachtes Modell des Unternehmensumfelds und seiner Komplexität.

Wer geistig beweglich ist, dem gelingt es, gedanklich zwischen verschiedenen Ebenen zu wechseln – die Bäume und den Wald zu erkennen. Die strukturierte Problemlösung ist die stra­tegische Kernkompetenz, mit deren Hilfe auch größte Probleme gelöst werden können. Eine klare Vision schafft ein Bild der Zukunft, das nicht nur motiviert, sondern Orientierung und Sinn schafft. Mit dem nötigen politischen Geschick gelingt es, die Strategie im Unternehmen wirkungsvoll zu platzieren.

Künstliche Intelligenz, so Watkins, wird unsere strategische Kompetenz erheblich vergrößern. Führungskräfte werden quasisymbiotische Beziehungen mit strategischen KI-Support-Systemen eingehen und auf diese Weise ihre Entscheidungen, Problemlösungen und Strategieentwicklung optimieren. Künstliche Intelligenzen können gewaltige Datenmengen auswerten, Muster und Trends erkennen, Prognosen erstellen und Risiken ausfindig machen. Sie sind in der Lage, unterschiedliche Szenarien zu simulieren, um zusätzliche Optionen zu finden und Empfehlungen auszusprechen.

Auch und gerade in Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz müssen Führungskräfte die sechs Kernkompetenzen strategischen Denkens beherrschen, um die richtigen Fragen zu stellen und die Erkenntnisse und Empfehlungen von Künstlicher Intelligenz einordnen zu können und im Sinne des Unternehmens oder der Organisation zu interpretieren. Sie werden daher auch in Zukunft spielentscheidend bleiben und vielleicht sogar noch an Bedeutung gewinnen.

Michael D. Watkins ist Professor für Leadership and Organizational Change am IMD und Mitbegründer von Genesis Advisers und wurde 2023 in Anerkennung seiner jahrzehntelangen Beiträge zu Management und Führung in die Thinkers 50 Hall of Fame aufgenommen.

Michael D. Watkins: „Die Kunst des strategischen Denkens. 6 persönliche Kernkompetenzen für erfolgreiche Strategieentwicklung“,  Erscheinungsdatum: 17.1.2024 (Orig. »The Six Disciplines of Strategic Thinking. Leading Your Organization into the Future«, ‎Harper Business), Gebunden, 211 Seiten, Campus Verlag 26 Euro, ISBN 978-3-593-51909-8

Strategischer Denken dank künstlicher Intelligenz
Jetzt lesen

Das MehlWelten Museum in Wittenburg/Mecklenburg

Ausbildung
/
Mehlmühlen
/
Mehl
/
Absacken
/
MEHL. MACHT. LEBEN. ist der Leitgedanke einer Museumskonzeption im mecklenburgischen Wittenburg.
2024
1/6/2024
Das MehlWelten Museum in Wittenburg/Mecklenburg

Ohne Weizen und die daraus ermahlenen Mehle gibt es kein ägyptisches Fladenbrot und kein französisches Croissant, kein indisches Naanbrot und keine argentinischen Empanadas. Und auch kein deutsches Frühstücksbrötchen.

Ötzi-Zimmer in der 2. Etage des Museums (Foto: Thorsten Scherz).

Aus Getreide Mahlprodukte herzustellen begleitet menschliches Leben seit Jahrhunderten überall auf der Welt. Ohne Müllerei keine Brotkultur – das Vaterunser müsste umgeschrieben werden…

Die Müllerei gilt als eine der ältesten handwerklichen Tätigkeiten der Menschheit. Schon vor 20.000 Jahren wurden Gräsersamen auf Reibsteinen vermahlen, seit 300 Jahren vor Christus kennt man Drehmühlen, bei denen ein geriffelter Läuferstein auf einem Bodenstein bewegt wird, zunächst von Hand, später in größerem Maßstab auch von mehreren Menschen oder Tieren. Man kennt Rossmühlen und die in den allgemeinen Wortschatz übernommenen Tretmühlen. Zirka seit Christi Geburt kommen Wassermühlen dazu und ab dem 12. Jahrhundert werden Windmühlen erwähnt.

In der Sackothek im 1. Stock sind alle Mehlsäcke hinter Glas archiviert (Foto: Henning Angerer).

Der Müller ist Mittler zwischen Bauer und Bäcker, zwischen Getreide und Brot. Müller zu sein ist von jeher ein besonderer Beruf, dem große Achtung und Wertschätzung entgegengebracht wird. Er darf sonn- und feiertags arbeiten, ist vom Kriegsdienst befreit und kann sich, der Legende des Müllers von Sanssouci nach, sogar einem König entgegenstellen. Mühlenstandorte gibt es immer dort, wo Wasser oder Windkraft genutzt werden können, oft weit entfernt von Siedlungen. Als Beherrscher der komplizierten und schwer durchschaubaren Mühlentechnik gelten Müller ihren Zeitgenossen oft als eigenbrötlerisch, unheimlich und auch wenig vertrauenswürdig. Immer meint der Bauer für sein Getreide zu wenig Mehl bekommen zu haben.

Ein Kunstwerk aus geknüpften Fäden, das Bildnis der Demeter im 1. Stock (Foto: Henning Angerer).

Die Bibel nennt 66mal den Begriff Mehl. 1. Samuel 28.24 und Matthäus 13.33 sind Bibelstellen, die Mehl für ungesäuerte Brote und Mehl zur Anfrischung von Sauerteig erwähnen. Unter `Recht der Schwachen und Armen` findet man in 5. Mose 24.6: „Du sollst nicht zum Pfande nehmen den unteren und oberen Mühlstein; denn damit hättest du das Leben zum Pfand genommen“. Und viele der Gleichnisse Jesu nehmen unmittelbaren Bezug auf Weizen. Wie oft wird in unserem Sprachgebrauch die Spreu vom Weizen getrennt (Lukas 3.17)?

Ein Lieblingsstück ist dieser Mehlsack aus Venezuela

 

Im Besitz von Getreide, Mehl und Brot zu sein bedeutet in der Geschichte, immer auch Macht ausüben zu können.

MEHL. MACHT. LEBEN. ist daher der Leitgedanke einer Museumskonzeption im mecklenburgischen Wittenburg, dem MehlWelten Museum. Präsentiert wird die Geschichte und essentielle Bedeutung des Mehles vom altrömischen Reibstein bis zur heutigen Industriemühle. Ausgangspunkt für das Museum ist 1998 ein Zufallsfund am Strand von Dubai: Der Unternehmer Volkmar Wywiol findet einen angespülten Mehlsack eines seiner Geschäftspartner.

Mit diesen Exemplaren begann die Sammlung von Volkmar Wywiol.

Länger schon fasziniert von der Vielfalt und dem Bedeutungsreichtum der auf Mehlsäcken platzierten Motive reift der Gedanke, Säcke aus aller Welt zusammenzutragen. Schnell wird deutlich, dass ein Mehlsack nicht nur Verpackungsmaterial ist, sondern sich die Gestaltungsmotive als beredte Zeugnisse der hohen Bedeutung von Mehl in allen Regionen der Welt dechiffrieren lassen.  Ein bisher unbeackertes Stück Kulturgeschichte wird von Volkmar Wywiol betreten.

Herzstück seines bereits 2008 im ehemaligen Amtsgerichtsgebäude der Stadt Wittenburg eröffneten Museums wird die nach Ländern geordnete „Sackothek“, heute bestückt mit 3.400 Mehlsäcken aus 130 Ländern! Kuratorin Angela Jannelli wird langfristig mit der Aufgabe betraut, die vielfältigen auf Mehlsäcken auftauchenden Motive kulturwissenschaftlich zu untersuchen und sie nach ihrer jeweiligen Symbolik zu kategorisieren. Drei große Symbolgruppen schälen sich heraus: Sonnen- und Herrschaftssymbole, Fortschrittssymbole und das Themenfeld Mahlen und Backen.

Der Symbolraum (Foto: Henning Angerer).

Die Sonne als lebenspendende Kraft und Getreide als Lebensgrundlage der Menschheit verschmelzen symbolisch auf Sackmotiven aus den Philippinen, aus Ungarn, Frankreich, und Deutschland.

Adler, Löwen und Hähne als Herrschaftssinnbilder symbolisieren  Macht, Würde und Kraft in Guatemala, Honduras, und Togo.

Aber auch die Reinheit des Mehles wird über Symbole besonders herausgestellt. Weißmehl gilt von jeher als makellos rein und macht die Herstellung spezieller Gebäcke erst möglich. Entsprechende Produktnamen und Motive nehmen Bezug auf Schnee und Winter, auf Polarlandschaften, Diamanten und auch Schneewittchen darf nicht fehlen.

Ein Mehlsack für Hartweizen

Kraftsymbole wie kettensprengende Männer und kräftemessende Ringer spielen in Venezuela, El Salvador und Spanien eine Rolle. Aber auch Symbole des Fortschritts wie Raketen, Lokomotiven, Fernseher und Computer sind auf Mehlsäcken z.B. aus Myanmar und Indien präsent. Und in Malaysia tauchen sogar Abbildungen von Panzern auf. Geistliche Kräfte werden in Ländern wie Guatemala und Spanien mit Mehl verknüpft: Katholische Heilige und verehrte Jungfrauen stehen für starken und reinen Glauben und die zuverlässige Qualität des Produktes.

Ein Mehlsack von 1968

Darüber hinaus werden in der Bilderwelt Tiermotive verwendet. In den verschiedenen Regionen der Welt verortete Geschöpfe schmücken besonders aufwändig gestaltete Mehlsäcke: Kamele aus Marokko, Pelikane aus Kamerun, Pfauen aus Nigeria, Hirsche aus Polen, Seepferdchen aus Myanmar, Nashörner aus dem Sudan, aber auch Löwen, Elefanten, Bären, Pferde und Schmetterlinge dienen als Vorlagen.

Deutsche Produkte kommen weniger spektakulär daher. Es dominieren Windmühlen aller Art, Diamanten, die Göttin der Morgenröte Aurora mit dem Sonnenstern, und als Qualitätsgarant der Bremer Roland. Neben der kulturwissenschaftlichen Ausleuchtung der Gestaltungsmotive auf Mehlsäcken ist es auch Anspruch des MehlWelten Museums zu vermitteln, dass Getreide, Mehl und Brot untrennbar mit der Entwicklung der Menschheit, ihrer Kultur, ihrer Religionen und ihrer wirtschaftlichen Verflechtungen verbunden sind. Weizen, vor ca. 10.000 Jahren kultiviert, stellt heute schließlich die Nahrungsgrundlage für ein Drittel der Weltbevölkerung dar – 320 Mio t Weizenmehl werden jährlich für die menschliche Ernährung erzeugt.

Kurzweilig und interessant wird der Museumsrundgang auch durch Kunstobjekte mit Bezug auf Getreide und Müllerei wie z.B. das aus mehr als 10.000 Fadenknoten bestehende Bildnis der griechischen Göttin Demeter, geschaffen von der Berliner Künstlerin Kathinka Willinek. Aber auch zeitgeschichtliche Sack-Fundstücke trifft der Besucher an: Ein originaler Mehlsack mit amerikanischer Flagge erinnert an die in den Jahren 1948/49 322 Tage lang bestehende Berliner Luftbrücke zur Versorgung der Westberliner Bevölkerung.

Ein Highlight des Museums ist die Replik des Gletschermannes Ötzi, einer Dauerleihgabe des Südtiroler Archäologiemuseums. 5.300 Jahre alt ist die 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckte Mumie. In ihrem Mantelsaum befanden sich zwei Ur-Getreidekörner und eine Untersuchung des Magen- und Darminhalts Ötzis erbrachte den Nachweis, dass schon zu seiner Lebenszeit Getreideprodukte verzehrt wurden.

Die Statue von Ötzi im 1. Stock erinnert an die Ursprünge des Getreides (Foto: Thorsten Scherz)

Besonders eindrucksvoll ist der Themenraum Getreide, Mehl und Brot in den Religionen. Ihre Bedeutung für das Judentum, das Christentum und den Islam ist videotechnisch künstlerisch und verständlich aufbereitet und wird so dem Besucher unmittelbar deutlich. Die Bedeutung des Getreides im alten Ägypten unterstreicht die Präsentation einer originalen ägyptischen Kornmumie. Seit kurzem rundet ein müllereitechnisch ausgestatteter Raum die bis dahin gesammelten Eindrücke ab: Der Besucher kann einzelne Schritte der Herstellung von Mehlen anschaulich nachvollziehen und so entsteht fast zwangsläufig Wertschätzung gegenüber dem Grundnahrungsmittel Mehl wie man ihm im Supermarktregal so oft gegenübersteht.  

Der Mahlraum mit den drei Prozessen, die zur Mehlherstellung unabdingbar sind.

Auch der seit einigen Jahren etablierte Welt-Mehltag spricht für die hohe Wertschätzung des Mehles als weltweites Grundnahrungsmittel. Datiert ist er auf den 20. März eines jeden Jahres in der Mitte der Sonnenwende. Auf der nördlichen Halbkugel werden die Äcker vorbereitet und die Aussaat beginnt. Die südliche Hemisphäre beginnt mit den Erntearbeiten. Hoffnung und Dankbarkeit treffen aufeinander.

In der Sackothek hängt das Bild der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter (Foto: Henning Angerer).

Die Wittenburger MehlWelten sind eine Hommage an die weltweit tätigen Müller. Sie machen ihre Besucher aber nicht nur mit der Welt von Getreide, Mehl und Brot vertraut, sie rufen in Erinnerung, dass das Essentielle menschlichen Lebens seine Nahrungsgrundlagen, ein für deren Erhaltung erforderliches friedliches Miteinander der Völker und Nationen und die Akzeptanz unterschiedlicher Kulturen und Religionen sind.

MehlWelten Museum Wittenburg, Amtsberg 2, 19243 Wittenburg

Wittenburg liegt direkt an der A24 Berlin - Hamburg

Öffnungszeiten

Ganzjährig:

jeden Sonntag von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr

Von März bis Oktober:

zusätzlich jeden 1. und 3. Samstag von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr

Auf Anfrage gern auch Sonderführungen.

www.mehlwelten.de

„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“

Der weiße Raum (Foto: Henning Angerer).
Das MehlWelten Museum in Wittenburg/Mecklenburg
Jetzt lesen
Mühle
Mühle + Mischfutter Online Logo Small
Niedersachsen

Landtagsabgeordnete besuchen Deutsche Müllerschule Braunschweig

Ausbildung
/
Die Deutsche Müllerschule Braunschweig empfing Mitglieder des Niedersächsischen Landtages.
2023
12/28/2023
Niedersächsische Landtagsabgeordnete besuchen Deutsche Müllerschule Braunschweig

Die Deutsche Müllerschule Braunschweig empfing Anfang Dezember letzten Jahres Bildungspolitiker des Niedersächsischen Landtags. Die Abgeordneten des Landtages Dr. Karl-Ludwig von Danwitz, stellvertretender Vorsitzender des Kultusausschusses im Niedersächsischen Landtag, Christian Fühner, Bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Anna Bauseneick, Sophie Ramdor und Oliver Schatta erfuhren vor Ort, wie wichtig der Müllerberuf und die Weiterbildung an der Deutschen Müllerschule für die Lebensmittelversorgung ist.

Jörg Gerling, Schulleiter der Deutschen Müllerschule Braunschweig und der Heinrich-Büssing-Schule präsentierte sein Lehrerteam und erläuterte die Bedeutung der DMSB für die Mühlenbranche und die Herstellung von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und Tierfutter in Deutschland und der Welt. Der Tagesablauf des Landtagsbesuchs umfasste zudem eine Besichtigung mit Erläuterungen zur Ausstattung und den Lerninhalten. Jörg Maurer vom Lehrerteam erläuterte die Herausforderungen für das „Spezialgebiet“ der Müllerei. Um geeignete Fachleute aus der Praxis gezielt in den Schuldienst zu bringen, hält er den Abbau bürokratischer Hürden sowie die bessere Anerkennung internationaler Erfahrungen für sinnvoll. Dr. Josef Rampl, geschäftsführender Kurator des Fördervereins der DMSB und Alexander Schnelle, Vorsitzender des Fördervereins der DMSB sowie Michael Kammann als Präsident vom "Glück zu" begleiteten den Besuch und unterstützten den Erfahrungsaustausch.

Die Abgeordneten erfuhren, dass sich die Deutsche Müllerschule Braunschweig durch ihre weltweit einzigartige Ausbildung in Müllerei, Mühlenbau und Mühlentechnik auszeichnet und ihre Absolventen weltweit gefragt sind. Jeder Absolvent trägt eine hohe Verantwortung, da er im übertragenen Sinne für die sichere Ernährung einer ganzen Kleinstadt verantwortlich ist. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung ist unerlässlich, die unabhängig von den Schülerzahlen zu beurteilen ist. Der Abschluss an der Schule zählt zu den höchsten Abschlüssen der Branche. Absolventen erlangen den anerkannten Titel Bachelor Professional bzw. staatlich geprüfter Techniker/in.

Die Abgeordneten haben ihre weitere Unterstützung zugesagt und freuen sich auf die Feierlichkeiten zum 75-jährigen Jubiläum der DMSB am 28. Juni 2024 im Waldhaus Ölper.

Niedersächsische Landtagsabgeordnete besuchen Deutsche Müllerschule Braunschweig
Jetzt lesen
Mühle
Mühle + Mischfutter Online Logo Small
Baden-Württemberg

FrigorTec in Amtzell mit dem Tag der offenen Tür

Anlagenbau
/
Getreideverarbeitung
/
Mehl
/
Kühlen
/
Die Firma FrigorTec von Ralf E. Kolb lud in ihre Hallen ein zu faszinierenden Einblicken in die Produktion.
2023
12/3/2023
FrigorTec in Amtzell mit dem Tag der offenen Tür

Viele Interessierte aus der Region kamen und Simon Kolb führte eine Besuchergruppe nach der anderen durch die Fertigungshallen. Der Sales-Manager gab spannende Einblicke in die Welt der Kältetechnik Made in Germany. Bei dem Rundgang mit ihm erfuhren vor allem die jugendlichen Teilnehmer mehr über den Hidden Champion aus ihrer Region und wie wichtig FrigorTec mit seinen Produkten weltweit für eine sichere Lebensmittelversorgung ist. Zum Abschluss der Führung griffen alle in der neuen Fertigungshalle für Getreidemaschinen beim selbstgemachten Popcorn zu, welches die Auszubildenden anboten.

Luftbild eines Unternehmens in Amtzell
Firmensitz und Fertigungshallen von frigorTec in Amtzell (Foto: FrigorTec)

Wer noch mehr wissen wollte, konnte in den kurzweiligen Vorträgen von Vertriebsingenieur Eberhard Fröscher erfahren, dass mittlerweile in 80 Ländern täglich tausende Getreidekühlgeräte aus Amtzell im Einsatz sind und Getreide, Reis, Mais und vieles mehr so vor Schädlingen schützen und Millionen Menschen ernähren. Wobei die höchste Dichte an Granifrigors die Dominikanische Republik aufweist. „Natürlich wollen wir uns in der Region mit unseren Maschinen präsentieren, aber noch wichtiger ist es, junge Leute über Einstiegs- und Zukunftsmöglichkeiten bei uns zu informieren“, so Doris Kolb.  

Besuchergruppe in einer Werkshalle
Simon Kolb führe an diesem Tag zahlreiche Besuchergruppen durch das Werk. Die neue Fertigungshalle mit den großen Getreidekühlmaschinen interessierte viele Besucher besonders (Fotos: Sabine Kemper)

Das ist sicher gelungen. Mitmachaktionen, Angebote für Kinder und Jugendliche und Stände, die regionale Käsespätzle und Getränke anboten, waren ein Besuchermagnet und es ergaben sich viele Gespräche zum Berufseinstieg oder zur beruflichen Neuorientierung.

Junge Leute machen Popcorn in einer Werkshalle
Die Auszubildenden hatten sich auf diesen Tag gut vorbereitet und freuten sich über das Interesse der Besucher.

FrigorTec in Amtzell mit dem Tag der offenen Tür
Jetzt lesen

Das Berufsfeld des Müllers beim Recycling

Reinigung
/
Anlagenbau
/
Fördertechnik
/
Mühlentechnik
/
Verfahrenstechnologe
/
Energieintensive Zement-, Stahl- und Kalkindustrien brauchen CO2-arm erzeugte alternative Brennstoffe.
2023
12/1/2023
Das Berufsfeld des Müllers beim Recycling

Viele Industrien substituieren fossile Brennstoffe und erhöhen ihre Recyclingraten. Eine auf Pellets basierende Verwertungsstrategie ist eine ressourcen- und klimaschonende Alternative. In der deutschen Zementindustrie werden derzeit etwa 67% des thermischen Energiebedarfes durch alternative Brennstoffe gedeckt. Europaweit sind es etwa 46% oder ca. 11 Mio. Tonnen. Die europäische Zementvereinigung hat das Ziel, den Einsatz alternativer Brennstoffe bis 2050 auf 90% mehr als zu verdoppeln.

Die Anlage zur Herstellung der Pellets in Papenburg. (Alle Fotos: Blue River)

Die Duisburger MVW Lechtenberg & Partner, ein Beratungsunternehmen für die Zement- und Kalkindustrie sowie die Nehlsen AG, ein Kreislaufwirtschaftsunternehmen aus Norddeutschland, gründeten die Projektgesellschaft „Blue River Recycling Ems GmbH & Co KG“, um klimafreundlichere Ersatzbrennstoffe, sogenannte EBS, zu produzieren. Dafür werden nicht recyclingfähige Mischkunststoffe geschreddert, vermahlen und zu Pellets mit einem hohen Heizwert gepresst. Die Pellets dienen als Ersatz für fossile Brennstoffe in der Zement- und Kalkindustrie oder für Koks im Hochofenprozess zur Stahlherstellung.

Mischkunststoffe können geschreddert zu hochkalorischen Pellets verarbeitet werden und dienen dann als Brennstoff.

Die erste von mehreren Blue River Anlagen zur Pelletierung von Mischkunststoffen startete seinen Betrieb 2021 im Hafen von Papenburg, direkt gegenüber der Meyerwerft, mit rund 20 neuen Arbeitsplätzen. Einer der ersten Mitarbeiter war Wilhelm Osewold, gelernter Müllermeister mit jahrelanger Berufspraxis. Die Produktionskapazität der Anlage beträgt bis zu 100.000 Tonnen Pellets pro Jahr.

Geschredderter Mischkunststoff – ein wertvoller Rohstoff für alternative Brennstoffe.
Die fertig gepressten Pellets können platzsparend zu den Werken in die Verbrennung transportiert werden.

Modernste Technik und vollautomatische Qualitätskontrolle garantieren die gleichbleibend hohe und homogene Ausbringung sowie den hohen Heizwert der Pellets. Das Energiekonzept mit einem eigenem Blockheizkraftwerk zur autarken Energieversorgung macht die neue Anlage in Papenburg zur innovativsten ihrer Art. Die Gesamtinvestition der Anlage betrug rund ca. 12 Mio. Euro für die Anlagentechnik und die erforderlichen Umbaumaßnahmen der bestehenden Infrastruktur.

Mühle + Mischfutter sprach mit Wilhelm Osewold, der als Müllermeister für den Betreib der Anlage in Papenburg verantwortlich ist.

Wilhelm Osewold bringt seineErfahrungen als Müllermeister gerne in der Recyclingindustrie ein.

M+M: Wie sind Sie als Müllermeister zum Recyclingfachmann geworden? War das schon immer ihr Berufswunsch?

Wilhelm Osewold: Ich bin ein Müller ohne Mehl und doppelt spezialisiert. Erst als Spezialmüller für Gewürze, dann für pharmazeutische Produkte und jetzt für Restkunststoffe. Ich habe meine Produkte erst in Kilogramm gewogen, denn in Gramm und heute wiege ich in Tonnen. Mich interessiert das Neue getreu meinem Motto:“Lehrling ist jederman, Geselle ist, wer was kann und Meister ist, wer was ersann“. Meine Eltern waren Landwirte und ich habe auch eine Ausbildung zum Landwirt. Meine zweite Ausbildung zum Müller mit Weiterbildung zum Müllermeister in Stuttgart schloss ich an der Gewerblichen Schule Im Hoppenlau ab. Die Meisterarbeit schrieb ich über Pfeffer, denn ich wollte in die Gewürzindustrie einsteigen. Nachdem die Arbeit dort zur Routine wurde, ging ich in den pharmazeutischen Bereich. Zufällig las ich 2021 einen Artikel in einer Lokalzeitung über das neue Recyclingwerk in Papenburg. Das fand ich spannend und ich habe mich initiativ beworben. Bisher habe ich meine Entscheidung nicht bereut. Und wir haben zudem eine großartige Aussicht auf die Meyerwerft gegenüber.

M+M: Was genau sind Ihre Aufgaben als Müller im Werk? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Wilhelm Osewold: Meine Arbeit im Recyclingwerk ähnelt den Aufgaben in einer herkömmlichen Mühle. Ich mache die normale Anlagen- und Maschinenbedienung, wie Pressen einstellen, die Warenannahme und Prüfung. Das Werk ist komplett automatisiert mit einer Standartsteuerung und Visualisierung von Siemens. Unser Ziel ist es, in drei Schichten 24/7 zu laufen. Mir macht meine Arbeit sehr viel Spaß. Ich kann viel Neues lernen und meine Erfahrungen einbringen. Ich verantworte hier den kompletten Produktionsprozess und am Ende presse ich ein fertiges Produkt, welches ökologisch sinnvoll ist. Das ist meine Motivation.

M+M: Weshalb sollten sich Kolleginnen und Kollegen bewerben?

Wilhelm Osewold: Die Arbeit hier im Werk hat Zukunft. Das Kunststoffrecycling ist ein Wachstumsmarkt. Die Nachfrage steigt, denn unsere Abnehmer müssen ihre fossilen Brennstoffe substituieren. Alternative Brennstoffe spielen eine immer größere Rolle und es sind auch in anderen Ländern weitere Anlagen in Planung. Trotz Verboten von Plastiktüten sind die Abfallreduktionen bislang nur marginal. Da gleichzeitig der Verbrauch an Kunststoffverpackungen steigt, ist die Rohstoffversorgung für uns kein Problem. In unserer Branche ist kein so großer Druck wie in der Lebensmittelbranche und die Bezahlung ist besser.

M+M: Welche Abfälle verarbeiten Sie zu Pellets?

Wilhelm Osewold: Mischkunststoffe und verunreinigte Pappe oder Papierreste aus den dualen Systemen. Das sind beschichtete Chipstüten, Schalenverpackungen für Käse, Fleisch und Obst, aber auch andere Verpackungen, die aus Materialmischungen bestehen. Die nicht recyclingfähigen Mischkunststoffe aus den Sortieranlagen des dualen Systems werden zu Ballen verpresst und zu uns geliefert. Wichtig ist noch, dass der ganze Herstellungsprozess bei uns videoüberwacht ist, um Wärme zu detektieren. Kleinste Batterien, beispielsweise aus Glückwunschkarten, die beim Zerschneiden chemisch reagieren oder andere Gefahren führen schnell zu Bränden.

M+M: Können Sie die Anlage beschreiben und ist sie ähnlich einer Mühle aufgebaut?

Wilhelm Osewold: Maschinell sind wir gut aufgestellt. Unsere Rohstoffe werden als Ballen angeliefert und werden maschinell geöffnet. Sie kommen dann aufgelockert in eine Schneidemühle von der Firma Lindner – sie hat einen Rotor mit Schneidekante und entsprechende Gegenmesser. Die Kunststoffe werden geschnitten auf 5x5cm Größe. Was noch nicht durch das Sieb geht, wird weiter geschnitten.

Dann kommt die Reinigung. Das Material läuft über Förderbänder zum Magnetabscheider, der alle magnetischen Bestandteile herausholt. Er ist in der Antriebstrommel vom Förderband integriert. Das nächste Förderband wirft das Material gegen eine Trommel, die nach dem Prallprinzip funktioniert und Hartkunststoffe trennt. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit dem Tischausleser in der Mühle. Die Kunststoffschnipsel werden anschließend über einen Nichteisenabscheider geführt. Damit sind drei Reinigungsstufen erfüllt: Magnet, Hartkunstoffabscheider und Nichteisenabscheider.

Danach wird ein Vorratsbehälter befüllt, der einen Schubboden hat, in dem das Material lagert während der Wartungsarbeiten. Von dort werden die Trocknerlinien beschickt. Im Vorfeld der Trockner ist eine NIR-Station für die Feuchtemessung, genau wie in einer Mühle. Wir haben zwei Trockner, um die Möglichkeiten unseres Blockheizkraftwerkes voll auszunutzen.  Das BHKW liefert Strom für die Elektromotoren. Das heiße Kühlwasser nutzen wir für den Bandtrockner und die Abwärme des BHKW wird für den Trommeltrockner eingesetzt. Die Sollfeuchte liegt unter 10% sonst wird der Pressvorgang zu schwierig. Das getrocknete Material geht in die Pelletierungsanlage. Es ist ein Standardpelletiervorgang mit Dosierschnecke, Schleuse und Presse. wir verwenden Matritzen mit 16 und 8 mm Lochung. Die Pellets werden gekühlt und eine Siebmaschine führt den Feinanteil zurück auf die Pressen. Die fertigen Pellets kommen in das Flachlager und verbleiben dort bis zur Verladung in das Schiff.

M+M: Was müssen Sie als Müller bei der Pelletierung besonders beachten?

Wilhelm Osewold: Alle bei der Verbrennung entstehenden Aschen, ob aus Kohle oder aus Pellets werden in das Produkt Zement oder Kalk eingebunden. Daher ist eine kontrollierte Qualität der Pellets wichtig. Besonders ein niedriger Ascheanteil, der problemlos eingebunden werden kann. Dies ist nur mit hochwertigen Mischkunststoffen möglich. Meine Erfahrung ist wichtig für das Mischungsverhältnis und das Führen der Pressen für die Qualität der Pellets.

Das Berufsfeld des Müllers beim Recycling
Jetzt lesen

First Movers Coalition for Food gegründet

Biogetreide
/
Lebensmittel
/
Nachhaltigkeit
/
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat am 1. Dezember 2023 in Dubai die "First Movers Coalition for Food" gegründet.
2023
12/1/2023
First Movers Coalition for Food gegründet

Laut WEF seien die Lebensmittelsysteme für mehr als 30 % der globalen Emissionen verantwortlich. Um die Vorgaben des Pariser Abkommens und der Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 °C zu erreichen, seien mehr nachhaltig produzierte und emissionsarme Agrarrohstoffe notwendig. Die Koalition will die Nachfrage beeinflussen, um umweltfreundliche Anbaumethoden und grüne Innovationen zu fördern und die Art und Weise, wie Unternehmen landwirtschaftliche Rohstoffe beschaffen, verändern.

Die derzeit an der Koalition „First Movers Coalition for Food“ beteiligten Unternehmen erzielen zusammen einen Umsatz von 2,1 Billionen US-Dollar und sind weltweit tätig. Ihre kollektive öffentlich-private Partnerschaft soll laut Børge Brende, Präsident des Weltwirtschaftsforums dazu beitragen, das Risiko von Vorabinvestitionen in nachhaltigere Lebensmittelproduktionssysteme zu verringern.

Die First Movers Coalition for Food umfasst Corporate Champions aus multinationalen und nationalen Konzernen mit hoher Kaufkraft, Partner aus der Wertschöpfungskette, Landwirtschaftsorganisationen und Forschungspartner der Regierungen. Die Konzerne streben einen kombinierten Beschaffungswert für kohlenstoffarme Rohstoffe in Höhe von 10 bis 20 Milliarden US-Dollar an.

Ab Mitte Dezember 2023 werden das Weltwirtschaftsforum und die teilnehmenden Unternehmen und Regierungen gemeinsam daran arbeiten, die Nachfrageverpflichtungen und Wege zur Unterstützung und Mobilisierung des Ökosystems zu ermitteln, um einen solchen Wandel zu ermöglichen. Die Koalition wird voraussichtlich im Sommer 2024 ihre ersten Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit veröffentlichen.

Auch die beteiligten Einzelhändler wollen mehr auf nachhaltig produzierte Produkte setzen und die Nachfrage nach emissionsarmen Produkten steigern sowie mit Partnern zusammenarbeiten, die naturfreundliche Praktiken fördern und landwirtschaftliche Systeme mit verbesserter Biodiversität und geringerem Wasserverbrauch unterstützen.

Mitglieder der First Movers Coalition for Food sind bisher:

Bayer AG, Cargill, Danone, Louis Dreyfus Company, Majid Al Futtaim Holding Llc, Nestlé, NR Instant Produce PCL, Olam Agri, PepsiCo Inc, Sekem Group, UPL Ltd, Tyson Foods Inc, JBS S.A., und Yara International ASA. Weitere Unternehmen werden in den kommenden Monaten bekannt gegeben.

Zu den Expertenorganisationen, die den Prozess unterstützen, gehören Bain & Company, Ginko Bioworks, Grow Asia, IDH, Indigo Ag, International Rice Research Institute, Temasek Life Sciences Laboratory, Tropical Forest Alliance und die Universität von Tokio.

First Movers Coalition for Food gegründet
Jetzt lesen

Besucherrekord bei Müllerei-Fachtagung in Volkach 2023

Anlagenbau
/
Ausbildung
/
Automatisierung
/
Biogetreide
/
Brotgetreidemühlen
/
Die 48. Volkacher Herbstfachtagung war ein voller Erfolg.
2023
11/28/2023
Besucherrekord bei Müllerei-Fachtagung in Volkach 2023

Vom 26. bis 28. Oktober 2023 konnten die Teilnehmer aus der Müllereibranche in dicht gedrängter Atmosphäre auf den Gängen, im Ausstellerzelt und in den Pausen Netzwerken, Fachsimpeln und ganz viele Wiedersehen genießen. Hauptanziehungspunkt waren auch diesmal die Fachvorträge im großen Saal. Sie gliederten sich in die vier Themenschwerpunkte Märkte, Nachhaltigkeit, Qualität und Technik. Vor allem die Preisentwicklungen und unsicheren Getreidemärkte interessierten, ebenso wie Möglichkeiten, den eigenen Betrieb noch nachhaltiger aufzustellen sowie Trends bei Getreidequalitäten bis hin zu technischen Innovationen.

Rudolf Sagberger, Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Müllerbundes mit Romana Ruth und Christian Kummer (beide von der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung in Wien) und Themenleiter der Tagung Dr. Josef Rampl vom Bayerischen Müllerbund.

Wie ein roter Faden zogen sich die Herausforderungen vor denen Müller, Landwirte und Bäcker aktuell stehen, durch die Referate. Vor allem ein in der Logik oft nicht nachvollziehbares und ständig anwachsendes Regelwerk macht den Alltag in den Mühlen und die Verhandlungen mit Zulieferern und Kunden schwerer und unerfreulicher.

Rudolf Sagberger, Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Müllerbundes e.V., eröffnete am Donnerstagnachmittag die Tagung. Er sorgt sich über die im Durchschnitt gesunkenen Proteingehalte. Aufgrund der EU-Düngeverordnung liegen die deutschen Werte jetzt hinter denen des Getreides aus dem Baltikum. Zusätzlich geben immer mehr heimische Betriebe auf und die Anbaufläche hat sich um 30 000 ha reduziert. Die politischen Entscheider in Deutschland und der EU, müssen dringend die gesetzlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass es auch in schwierigen Erntejahren möglich bleibt, Getreide aller Qualitätsstufen herzustellen.  

Verleihung der DON-Vorerntemonotoring-Teilnehmerzertifikate v.l.n.r.: Dr. JosefRampl, Geschäftsführer Bayerischer Müllerbund e.V.; Herbert Willmerdinger,Weiss Mehl; Markus Schuster, Schuster Mühle Großaitingen; Anke Dege,Getreidemühle Erich Sack; Michael Hemmer, Meyermühle Landshut; ChristianLinder, Linder Mühle; Andrea Ramsauer, Poschenrieder Mühle; Michael Ritzinger,Rosenmühle; Anton Schmid, Kunstmühle Schmid; Peter Eiblmeier, BayerischeLandesanstalt für Landwirtschaft; Jürgen Englert, Gründleinsmühle; MartinHofmeir, Kunstmühle Hofmeir; Rudolf Sagberger, Sagberger Mühlen;  NikolaiKohl, Cramer Mühle; Susanne Dorfner, Bavaria Mühle. (Foto: Lorenz Strohmeir)

Grenzwerte als Herausforderung.

Der erste Themenblock umfasste die Referate zu Getreidequalitäten und Qualitätsmanagement. Martin Unterschütz, Leiter Getreide bei der BayWa AG gab eine Einschätzung zu Versorgungslage mit Brot- und Qualitätsgetreide. Er sieht die größten Herausforderungen beim Transport von Rohstoff über größere Distanzen.  So könnte Getreide aus dem Baltikum immer wichtiger für proteinreiche Mehle werden. Probleme sieht er bei der Versorgungslage mit Qualitätsweizen in der EU für die Mühlen nicht. „Wir müssen uns einstellen auf Weizen mit niedrigeren Qualitäten“, zieht Rudolf Sagberger sein Fazit.

Frau am Mikofon spricht
Nach den Vorträgen blieb genug Zeit für Fragen. Emilia Schmalhofer, die mit ihrem Meisterkurs die Veranstaltung besuchte, berichtete über ihre neu gebaute Mühle.

Anschließend referierte Uwe Langenhan von der Erzeugergemeinschaft aus Sicht der Thüringer Landwirte, für die volatile Getreidemärkte das neue Normal seien. Sein Tipp an die Zuhörer war es, die Ware vor der Ernte zu vermarkten. Er sieht auch in Thüringen das Problem, dass Landwirte aufgeben oder müde sind, aufgrund der wachsenden Bürokratie. Nach der Pause gab Jürgen Zankl vom Bioland e.V. einen Überblick über die Biomärkte. Die Preise sind seit Mai 2023 wieder angezogen und er rechnet mit einer Erholung in der nächsten Zeit, da der Lebensmittelhandel auf deutsche Herkunft setzt und der Staat zusätzlich das Angebot mit seinem Ziel „30% Bio“ unterstützt. Die Erreichung des Ziels mit den aktuellen Anbaubedingungen sieht er sportlich. Dazu seien mehr staatliche Anstöße notwendig. Als Abschluss des ersten Tages sprach Dr. Wolfgang Preißinger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft über das Potential von Kleie, die viel mehr als nur ein Faserfuttermittel ist.

Am Freitag begannen die Vorträge über Nachhaltigkeit und Wirtschaft. Dietmar Heinemann von Bühler erklärte detailliert, wie der CO2-Fußabdruck in der Müllerei berechnet, verstanden und reduziert werden kann. Das optimaler Rohrbau Energie einsparen kann zeigte Edwin Priewasser von der Firma Sallhofer am Beispiel der Haberfellner Mühle. Der Familienbetrieb SB-Konzept stellte ein Fakturierungs- und Managementprogramm für Handwerksmühlen vor und Andreas Hummel berichtete über Advactory und die Digitalisierung des Qualitätsmanagement.

Stefan Schmitz von der Swisca AG aus Appenzell stellte eine innovative schneckenlose Getreidenetzung vor.

Dr. Jens Begemann vom Max-Rubner-Institut und Dr. Robert Aberham berichteten über die Mengen, Qualitäten und die Behandlung der Mehle der diesjährigen Ernte. Dr. Christian Kummer und Romana Ruth von der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung aus Wien erklärten anhand ihrer Forschungsergebnisse, wie man mit den reduzierten Grenzwerten für Mutterkorn ab 2024 umgehen kann. Management-Themen für Führungskräfte wurden von Dr. Peri Kholghi zur Stressvermeidung und Dr. Alexander Hoeppel zur Psychologie des Verhandelns sehr anschaulich und nachvollziehbar vorgetragen.

Sabine Kemper von Mühle + Mischfutter erklärte am Beispiel von Foodwatch, wie Desinformationen über Getreideprodukte, Kunden und Verbraucher verunsichert hat und wie die Branche sich dagegen wehren kann.
Viele Kontakte wie hier am Stand der Firma Foss Analytics: Sales Managerin Doris Niedermeier berät die Kunden.
Was der Hammer kann, kann auch der pneumatische Klopfer von Singold Gerätetechnik – nur schonender. Matthias Hofmann, Technischer Leiter und Geschäftsführer Oliver Lüer.
Fortsetzung einer Tradition. Die nächste Generation Mühlenbautechniker führt die Marke MIAG in eine neue Zeit. Das motivierte Team aus Lonnerstadt v.l.n.r.: Florian Fritsch, Louisa Otten, Frank Iftner und Felix Bruckmann.
Experten unter sich: Georg Schafler, Head of Process Technology Wheat & Rye bei Bühler in Uzwil und Klaus Oberhumer, Geschäftsführer von Sallhofer Mühlenrohrbau in Braunau am Inn.
Im Ausstellerzelt war die Stimmung nicht nur an denStänden der Firmen Austus, Swisca und Balaguer gut und sorgte für einen Besucheransturm.

Qualitätssicherung

Ulf Müller, Geschäftsleiter Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement bei GoodMills Deutschland zeigte die wachsende Herausforderung für die Mühlenbetriebe im Qualitätsmanagement auf. Sein Vortrag unterlegt mit anschaulichen Grafiken beschrieb seine tägliche Praxis und machte den Zuhörern eindringlich deutlich, was die Mühlen für ihr Qualitätsmanagement in Zukunft noch zusätzlich leisten müssen. Sabine Kemper von Mühle+Mischfutter berichtete über „The dark side of Grain“, eine fragwürdige Kampagne vom Verein Foodwatch und wie die Redaktion dagegen vorgegangen ist (Posts in LinkedIn, Rainer Miserre, Mühle+Mischfutter, Seite 10, Ausgabe 20/2023). Ihre Empfehlung ist es, dass Verbände und Unternehmen die direkt geschädigt sind, stärker gegen diese Art der Berichterstattung vorgehen.

Den Fränkischen Abend im Staatlichen Hofkeller der Residenz Würzburg genossen die Müllerinnen, Müller und Aussteller bei guten Gesprächen.
Lorenz Strohmeir von der Geschäftsstelle des Bayerischen Müllerbundes e.V. begrüßte die vielen Besucher und Aussteller.

Nach dem abendlichen Besuch im Weinkeller der Residenz Würzburg startete am nächsten Morgen der Themenblock Müllereitechnik. Stefan Schmitz, von Swisca begann mit den Vorteilen einer schneckenlosen Getreidenetzung, die 90% weniger Energie verbrauchen soll. Über den Mühlenneubau der Schmalhofer Mühle berichteten Andreas Müller von Bühler sehr anschaulich mit vielen Fotos und Schaubildern (Den M+M-Report zum Neubau mit den Grafiken des Vortrages finden Sie auf www.mühle-mischfutter.de). Franz Schmid gab im Anschluss zusammen mit Johann Priemeier interessante Einblicke in Planung und Bau der Antersdorfer Mühle (Mühle+Mischfutter, Seite 12, Ausgabe 9/2023). Christian Rückert zeigte die Vielfalt des Anlagenbaus für Müllerei und Spezialanlagen,  Rolf Nagel von FD Waagenbau den neuesten Stand der Wägetechnik in der Mühle und Jan Gausepohl von FoodExperts neue Wege der Personalsuche und -qualifizierung.

Isabel Vogt, Assistentin der Geschäftsführung der Vogtmühlen Illertissen verfolgte aufmerksam die Vorträge.
„Die Müllerei-Fachtagung war auch in diesem Jahr sehr informativ und unterhaltsam! Das gesellschaftliche Rahmenprogramm sowie die Themenblöcke waren sehr abwechslungsreich. Allerdings hätte ich mir im CO2-Rahmenprogramm einen Zusatzthemenblock über die LKW-Maut gewünscht. Dadurch, dass die Einführung unmittelbar bevorsteht, wäre eine Diskussion hier wünschenswert gewesen. Die gesamte Branche muss hier eine gemeinsame Lösung finden! Besonders der persönliche Austausch steht allerdings für mich immer im Mittelpunkt. Volkach bietet hier eine großartige Möglichkeit über aktuelle Themen zu diskutieren und sich darüber auszutauschen.“ Isabel Vogt, Vogtmühle Illertissen.
Marco Kuhlmann und Thorsten Eiling von der Biomühle Eiling.
„Für mich ist es hier sehr familiär, wir sind eine relativ kleine Mühle und hier sind ähnlich große Mühlen. Es ist egal, ob man groß oder klein ist, alle werden gleich berücksichtigt. Wenn wir ein Anliegen haben, können wir Dr. Josef Rampl ansprechen und wenn es für viele relevant ist und den Müllern etwas bringt, organisiert er einen Vortag dazu. Am heutigen Tag fand ich die Vorstellung des SB-Konzepts interessant, da für kleine Betriebe die großen Anbieter vom Kosten-Nutzen Verhältnis oft nicht so passen.“ Thorsten Eiling, Biomühle Eiling
Anke Dege von der Getreidemühle Erich Sack ist aus dem niedersächsischen Langelsheim angereist.
„Volkach ist ein wertvolles Treffen der Müllerfamilie mit interessanten Vortragsthemen und guten Gesprächen. Der Termin der Fachtagung ist ein fester Bestand in meinem Kalender – man trifft oft Müllerkollegen, die man nur hier in Volkach trifft und sich darauf freut.“ Anke Dege, Getreidemühle Erich Sack.
Aus dem Erzgebirge angereist Dr. Thomas Rolle. Er bekam letztes Jahr für seine Innovationskraft die Sächsische Verfassungsmedaille.
„Herzlichen Glückwunsch dem Bayerischen Müllerbund zu der gelungenen, tollen Tagung sage ich als Vorstand des Mitteldeutschen Müllerbundes. Für die vielen Informationen, Eindrücke und Anregungen aus den Vorträgen und für die guten Gespräche untereinander danke ich gerne persönlich. Es war eine gute Zeit hier an der Mainschleife. Bis zur nächsten Tagung in Volkach wünsche ich Glück zu.“ Dr. Thomas Rolle, Geschäftsführer C.F. Rolle GmbH Mühle.

Besucherrekord bei  Müllerei-Fachtagung in Volkach 2023
Jetzt lesen

Noch nicht gefunden wo nach Sie suchen?

Mit unserer erweiterten Suche können Sie die komplette Seite nach Ihren Suchbegriff durchsuchen.

Mühle + Mischfutter Online Logo

Abonnieren Sie unseren Newsletter. Fachspezifische Berichterstattung. Direkt in Ihr Postfach.

'Nichts verpassen!
Herzlich willkommen! Vielen Dank, dass Sie unseren Newsletter abonniert haben.
Leider scheint dies nicht funktioniert zu haben. Probieren Sie es gerne erneut. Alternativ
Anmeldung erfolgreich
Error

Videos

Interviews mit Axel Schmitt

Interview zusammen mit Axel Schmitt bezüglich verschiedener Themen

Interviews mit Axel Schmitt

Podcasts

Mühle + Mischfutter Aktuell

Mühle + Mischfutter Aktuell

Interviews, Messen und Produktvorstellungen im proaktischen Audioformat jederzeit verfügbar.