Der Strukturwandel in der Branche der Getreideverarbeiter
Die deutsche Mühlenbranche von der Industrialisierung bis heute
Der Strukturwandel in der Branche der Getreideverarbeiter
Die deutsche Mühlenbranche von der Industrialisierung bis heute
.jpeg)
Der Strukturwandel in der Branche der Getreideverarbeiter
Die deutsche Mühlenbranche von der Industrialisierung bis heute
Deutschland war vor der Industrialisierung reich an Wind- und Wassermühlen. Mit Dampfmaschinen, Elektrizität und der Walzenstuhl-Technik begann die Marktbereinigung, die bis heute anhält. Im Ergebnis ist eine hochproduktive, stark konzentrierte Branche mit wenigen, sehr leistungsfähigen Mühlenbetrieben und kleineren Spezialmühlen entstanden.
Anfang des letzten Jahrhunderts standen in Deutschland zehntausende handwerkliche Mühlen. Mit der Erfindung des Walzenstuhls, der kontinuierlichen Kraftversorgung und dem Ausbau des Schienennetzes setzten sich mehr und mehr große, städtisch gelegene Getreidemühlen durch. Sie nutzten Skaleneffekte bei Energie, Arbeitszeit und Logistik, produzierten gleichbleibende Qualität und verdrängten kleinere Betriebe. 1895 zählte man rund 73.000 deutsche Mühlen, diese Zahl nahm in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich ab. Der romantische Mühlenmix wich einer Industrie mit hohem Kapitaleinsatz und die Zahl der Betriebe begann zu schrumpfen. Die Tiefe des Strukturwandels verdeutlicht das sogenannte Mühlensterben nach dem zweiten Weltkrieg. Gab es 1950 in Deutschland rund 19.000 Mühlen, waren es 1980 nur noch gut 2.500 aktive Betriebe. Heute vermahlen etwas mehr als 170 Mühlenbetriebe mehr als 1.000 Tonnen pro Jahr und werden deshalb in der amtlichen Statistik geführt.
Eine Mühle versorgt im Bundesdurchschnitt heute etwa 470.000 Menschen. Im Süden Deutschlands, in Bayern und Baden-Württemberg ist die Mühlendichte größer als im Bundesschnitt. Im Süden Deutschlands versorgt eine Mühle rund 265.000 Einwohner, im Norden sind es dagegen 804.000 Einwohner. (Quelle: Branchenübersicht des Verbands Deutscher Mühlen). Gründe für den regionalen Unterschied sind sicher die historisch starke Bäckerlandschaft im Süden sowie die engen Lieferbeziehungen zwischen Landwirten, Mühlen und regionalem Handwerk.

Viele kleinere Betriebe können durchaus bestehen, wenn sie sich rechtzeitig auf den Strukturwandel eingestellt, modernisiert und/oder sich auf besondere Mehle oder Bioprodukte spezialisiert haben.
.jpeg)
.jpeg)
Zuerst war der klassische Skaleneffekt mit der drastischen Senkung der Stückkosten durch den Wechsel zu Walzenstühlen, geschlossenen Prozessen, eine bessere Getreidereinigung und die Prozessautomatisierung Haupttreiber des Strukturwandels. Größere Anlagen hatten gegenüber kleinen den Vorteil, dass sie den Output pro Beschäftigten vervielfachen konnten. Aktuell stehen Betriebe vor neuen Herausforderungen, vor allem durch die Lebensmittelsicherheit, Umweltauflagen und hohen Energiekosten. Höhere, verbindliche Standards (HACCP, IFS Food, Rückverfolgbarkeit) begünstigen Betriebe, die Prüf- und Dokumentationspflichten in großem Maßstab effizient abbilden können. Zudem ist seit den 1990er-Jahren die Backwarenindustrie gewachsen, während die Zahl kleiner Handwerksbäckereien sinkt. Großabnehmer verlangen große, verlässliche Chargen, was wiederum große Mühlenbetriebe stärkt. Die anstehenden Berichtspflichten der EU könnten die Lage für kleinere Betriebe bald nochmal erschweren. Vor allem die CO2-Abgaben sind hier zu nennen. Die Mühlenbetriebe sind nicht direkt betroffen, aber durchaus indirekt. Beispielsweise durch Anforderungen ihrer Abnehmer an einen geringen ökologischen Fußabdruck oder durch steigende Energiepreise. Auch die Kreditvergabe könnte problematisch werden, wenn Banken diese an den CO2-Fußabdruck koppeln. Moderne Mühlentechnik, innovative Plansichter und die Automatisierung und Datenerfassung erfordern hohe Investitionen. Für kleinere Betriebe ist das häufig nicht mehr darstellbar.
).jpeg)
.jpeg)
Nach Zahlen des Verbands Deutscher Mühlen (VDM) vermahlen die deutschen Mühlen pro Jahr rund 9 Mio. Tonnen Getreide, davon etwa 7,65 Mio. Tonnen Weichweizen und 630.000 Tonnen Roggen; dazu kommen Dinkel (336.000 t) und Hartweizen (435.000 t). Daraus werden u. a. 6,1 Mio. Tonnen Weizenmehl und 557.000 Tonnen Roggenmehl.
Trotz der Konzentration bleibt die Branche mittelständisch geprägt. Oft führen Familien über Generationen die Mühlenbetriebe. Gleichzeitig haben die großen Mühlengruppen wie u.a. GoodMills, die Bindewald & Gutting Mühlengruppe, die Gebr. Engelke und die Hemelter Mühle Dr. Cordesmeyer einen erheblichen Marktanteil und beliefern die Back- und Lebensmittelindustrie. Die zehn größten Unternehmensgruppen produzieren an 37 Standorten zusammen mehr als 6 Mio. Tonnen pro Jahr. Kleinere und mittlere Mühlen behaupten sich mit Regionalität, Sortimentstiefe (Spezialmehle, Mischungen, Bio, Urgetreide), Mühlenläden und B2B-Nischen. Kurz gesagt wird Deutschland künftig vielleicht noch weniger Mühlenbetriebe verzeichnen, aber es wird weiterhin eine vielfältige Mühlenlandschaft mit klarer Arbeitsteilung zwischen Großindustrie und Mittelstand geben. Die Versorgung ist sicher, die Vielfalt bleibt und der Strukturwandel ist, bei aller Verlangsamung, nicht abgeschlossen.

Quellen
Verband Deutscher Mühlen (VDM): Mühlen in Deutschland – Zahlen zu Anzahl der Mühlen, regionaler Verteilung, Vermahlungsmengen und historische Entwicklung (Stand: Sept. 2023).
Ökolandbau.de/Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE): Branchenzahlen zum Wirtschaftsjahr 2022/23 (Anzahl erfasster Betriebe).
Bereits Abonnent der M+M Print oder Print plus Online ?
Als Abonnent der Mühle + Mischfutter erhalten Sie diesen Zugriff gratis.


.jpeg)


).jpeg)



.jpeg)