Österreichische Bioraffinerie für Strom, Wärme und Kohlenstoffsenke
Holzgas statt Heizöl beim Hotel Stanglwirt
Österreichische Bioraffinerie für Strom, Wärme und Kohlenstoffsenke
Holzgas statt Heizöl beim Hotel Stanglwirt
Österreichische Bioraffinerie für Strom, Wärme und Kohlenstoffsenke
Holzgas statt Heizöl beim Hotel Stanglwirt
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Österreichische Bioraffinerie für Strom, Wärme und Kohlenstoffsenke
Holzgas statt Heizöl beim Hotel Stanglwirt
Der Stanglwirt, Bio-Bauernhof mit integriertem 5-Sterne-Hotel in Going am Wilden Kaiser, hat sein Energiezentrum neu aufgestellt. Die Wirtsfamilie Hauser weihte im Oktober 2025 eine Holzvergasungsanlage ein, die Strom und Wärme erzeugt und als drittes Produkt Pflanzenkohle liefert. Die Anlage ersetzt ein Biomasse-Heizkraftwerk aus den 1970er-Jahren und gilt im Hotelkontext als Pionierlösung.
Verbundenheit zur Natur und Umweltschutz werden beim Stanglwirt seit seinem Ursprung im Jahr 1609 gelebt. Mit dem eigenen Bioenergie-Kraftwerk setzt die Familie einen weiteren Meilenstein in der Unternehmensgeschichte.
„Als weltweit einzige Anlage dieser Art in einem Hotelleriebetrieb möchten wir zeigen, wie Strom und Wärme umweltfreundlich erzeugt und in einer eigenen Kreislaufwirtschaft genutzt werden können“, erklärte Stanglwirt Balthasar Hauser.
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Hackgut und High-Tech
Herzstück des neuen Kraftwerks ist eine Holzvergaseranlage des Tiroler Herstellers SynCraft, die PEFC- und RED-II-zertifiziertes Hackgut und Schadholz in Holzgas umwandelt, das anschließend in einem Gasmotor zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt wird. Die elektrische Nennleistung liegt bei bis zu 550 Kilowatt. Die nutzbare Wärme aus Motorkühlung und Abgas beträgt rund 740 Kilowatt und speist das hoteleigene Fernwärmenetz. Im Sommer wird der Wärmebedarf vollständig gedeckt. Im Winter übernimmt ein moderner Biomassekessel die Spitzenlast, ein älterer Gaskessel bleibt als Sicherheitsreserve. Die Eigenversorgung mit Strom erreicht im Jahresmittel etwa 60 %. Zukauf erfolgt als zertifizierter Ökostrom. Die Gesamtinvestition beträgt rund 11 Mio. Euro. Etwa 3,5 Mio. Euro entfielen dabei auf die von SynCraft entwickelte Technologie, der Rest auf Bau, Infrastruktur und begleitende Maßnahmen.
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Neben Strom und Wärme entsteht bei der Holzgasreinigung Pflanzenkohle als besonderes Nebenprodukt. In der Landwirtschaft wird sie beispielsweise als Bodendünger eingesetzt. Bedeutsam ist ihr klimapositiver Beitrag, denn sie bindet dauerhaft den im Holz enthaltenen Kohlenstoff.
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Nach einem Rundgang durch das Werk, geführt von Johannes Hauser, Werksleiter Walter Embacher und Marcel Huber, Geschäftsführender Partner SynCraft, klang die Veranstaltung in familiärer Atmosphäre im Gasthof aus – ganz im Sinne des Mottos „daheim beim Stanglwirt.“
Im Interview Werksleiter Walter Embacher
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M+M: Wie kam es beim Stanglwirt zu der Entscheidung, ein eigenes Heizwerk mit Holzvergasung zu bauen?
Walter Embacher: Das Areal für den Bau übernahm Balthasar Hauser, Inhaber des Stanglwirt, im Jahr 2012. Das Biomasse-Heizkraftwerk aus den 70er-Jahren musste bald erneuert werden und man sprach mit mehreren Verbänden, speziell dem Biomasseverband über eine Lösung. Am Ende stand die Entscheidung die ältere Technik des Werks durch eine modernere Anlage zu ersetzen. Durch eine glückliche Fügung kam die Familie Hauser mit Klaus Embacher, der im Ort wohnt, ins Gespräch. Er ist Projektleiter bei der Tiroler Firma Syncraft, die seit über zwölf Jahren klimapositive Energiesysteme baut. Er schlug vor mit der gleichen Menge an Rohstoff Strom und Wärme mit einer Holzvergaseranlage zu erzeugen. Die sei stromgeführt und als Nebenprodukte fallen Wärme und Pflanzenkohle an. Die Rohstoffmenge ist kontinuierlich das ganze Jahr gleich, außer man verändert die Leistungsparameter. Nach Besichtigung einer Testanlage in Innsbruck fiel die Entscheidung für diese innovative Anlage, Syncraft lieferte die Technologie und ein örtlicher Betrieb, die Firma Innio Jenbacher, die Motoren.
M+M: Was unterscheidet die Holzvergasung von einem klassischen Blockheizkraftwerk (BHKW)?
Walter Embacher: Unser Geheimnis ist der zweistufige Thermoprozess aus Pyrolyse und Holzvergasung. Beides läuft in sauerstoffarmer Umgebung, damit das Holz nicht einfach verbrennt, sondern sich chemisch ohne Sauerstoffüberschuss in drei Fraktionen aufspaltet: Einem Gasgemisch aus Kohlenmonoxid, Wasserstoff, Methan und leichten Kohlenwasserstoffen, in Pflanzenkohle sowie in geringe Mengen an Kondensaten. Zunächst erhitzt die Pyrolyse die Holzschnitzel auf etwa 200 bis 240 Grad Celsius, damit die thermische Zersetzung in Gang kommt. Ein Teil des im Holz gebundenen CO2 bleibt in der Pflanzenkohle erhalten. In der Regel binden wir 20 % des CO2 dauerhaft in der Pflanzenkohle. Von der Pyrolyse geht es dann runter in den Reaktor und im Reaktor erfolgt die restlichen Ausgasungen. Die nachgeschaltete Vergasungsstufe wandelt die aus der Pyrolyse stammenden Gase sowie Teile der Pflanzenkohle weiter in ein sauberes Holzgas um. Die zweistufige Führung steigert die Gasqualität. Filter und Abscheider kühlen und reinigen das Holzgas, das einen Motor antreibt und Strom erzeugt. Die Abwärme aus Motor und Abgas nutzt die Anlage über Wärmetauscher für Heizzwecke.
M+M: Welche Rolle spielt die Brennstoffqualität?
Walter Embacher: Sie entscheidet über Anlagenstabilität und Ausbeute. Die Hackschnitzel haben eine definierte Stückigkeit von etwa 50 Millimetern. Dieses Sondersortiment ermöglicht uns eine sichere Beschickung. Die Mischung enthält rund 40 % Hartholz wie Buche, Erle oder Eiche, ergänzt um Fichte und Tanne als Weichholzanteil. Wir verwenden nur nachwachsende Rohstoffe, die aus der Gegend kommen mit einem Radius von etwa 40 Kilometern. Alle Rohstoffe sind PEFC-zertifiziert. Das heißt, wir entnehmen nur die Menge Holz aus dem Wald, die wieder zuwächst. Das sägefähige Holz kommt ins Sägewerk und das, was wir als Energieholz nutzen können, zerkleinern wir in Hackschnitzel. In unserem Radius haben wir ein kleines Portfolio an Lieferanten. Wir haben ein konsequentes Qualitätsmanagement und bis ein Lieferant bei uns liefert, dauert es circa zwei bis drei Monate.
M+M: Was passiert, wenn die Anlage durch die falsche Zusammensetzung des Rohmaterials ausfällt?
Walter Embacher: Gerät die Stückigkeit der Lieferung aus dem Ruder, muss ich die Leistung reduzieren. Das ist kein großes Problem, wenn gleich wieder gutes Material kommt, dann kann ich mit ihr wieder raufgehen. Das geht bedingt bis zu einem gewissen Grad und bis zu sieben Tagen. Nach einer Woche muss ich die Anlage abstellen, den Reaktor mit fünfzehn Kubikmetern Holzgasgemisch entleeren und die Anlage komplett wieder neu starten. Ausfälle von vier bis fünf Tagen belasten nicht nur durch Materialkosten, sondern durch den Produktionsausfall. Da wir genaue Daten für unseren Wärme- und Stromverbrauch haben, können wir ihn quantifizieren. Lieferanten, die mehrfach nicht die Qualität liefern können, scheiden schon allein deswegen aus. Bisher ist es jedoch noch nie zu einem vollständigen Ausfall gekommen und wir haben fast keine Störungen. Man bekommt mit der Zeit das Gespür dafür, was man machen muss, wenn ein Trend davonläuft. Oft reicht ein kleiner Eingriff und dann geht’s wieder.
M+M: Wie hoch ist der Betriebs- und Wartungsaufwand?
Walter Embacher: Meine reine Anlagentätigkeit dauert täglich etwa vier Stunden. Wir fahren strikt planbare Wartungen. Vierteljährlich gibt es eine kleine Wartung mit 24 Stunden Stillstand, halbjährlich oder nach Bedarf eine große Wartung mit bis zu 48 Stunden. Gasführende Anlagenteile sind nahezu wartungsfrei, abgesehen vom Zündkerzenwechsel am Gasmotor. Bei den gaserzeugenden Stufen entfernen wir turnusmäßig Kohlenstoffablagerungen. Trends überwachen wir kontinuierlich. Weichen Kennlinien ab, greifen wir punktuell ein.
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M+M: Lief die Inbetriebnahme gleich reibungslos?
Walter Embacher: Zu Beginn fehlte uns die Fernwärmeleitung. Wir mussten in Puffer fahren und häufiger abstellen. Das ist für jede Anlage ungünstig. Aber es dauerte, die Leitung unter der Straße zum Hof und dem Hotel zu verlegen. Nach Fertigstellung der Leitung sank die Störungslast deutlich. Mit der Fernwärmeleitung unter der Straße versorgen wir heute den gesamten Hotelbetrieb. Aktuell beheben wir etwa 80 % der Störungen innerhalb von 15 bis 20 Minuten. Syncraft hat seinen Firmensitz in der Nähe und wir optimieren gemeinsam. Eine Zündzeitpunkt-Anpassung brachte zuletzt drei bis vier Kilowatt zusätzliche elektrische Leistung. Aufs Jahr gerechnet ergibt das einen beachtlichen Mehrertrag. Die Holzvergasung speist elektrisch 550 kW im Nennpunkt ein und ca. 740 kW für Wärme über die Fernwärmeleitung. Für Winterspitzen steht ein moderner Biomassekessel bereit und als dritte Stufe existiert ein älterer Gaskessel. So bleibt die Versorgung selbst in Ausnahmesituationen gesichert. Bei Wärme erreicht die Anlage im Sommer eine hundertprozentige Deckung und im Winter übernimmt der Biomassekessel das Delta. Beim Strom liegt die Eigen¬versorgung bei rund 60 %. Zusätzlich wird zertifizierter Ökostrom dazu gekauft. Ziel ist eine möglichst lückenlose Versorgung des Stanglwirts aus erneuerbaren Quellen.
M+M: Welche Stoffströme dürfen Sie rechtlich einsetzen?
Walter Embacher: Die Zertifizierung und das Abfallwirtschaftsrecht setzen klare Grenzen. In der Vergasung verwenden wir ausschließlich stammholzbasierte Hackschnitzel in definierter Qualität. Im Biomassekessel lassen sich Grünschliff, Blatt- und Nadelanteile nutzen, also der energetisch verwertbare Rest des Baumes. Andere Abfälle sind ausgeschlossen.
M+M: Was passiert mit der Pflanzenkohle?
Walter Embacher: Ein Teil geht regional in die Landwirtschaft. Daneben setzt die Industrie, wie Stahl- und Zementindustrie, Pflanzenkohle mehr und mehr als Additiv ein. Wir produzieren ungefähr 400 t Pflanzenkohle jährlich, täglich gut zwei Big Bags à 800 bis 950 Kilogramm. Ab Hof liegt der Richtpreis je Big Bag zwischen 250 und 500 Euro für die Pflanzenkohle.
M+M: Wie viel Förderung hat der Stanglwirt bekommen und welche Kompetenzen braucht ein Betriebsteam für so eine Anlage?
Walter Embacher: Die Anlage hat ein Investitionsvolumen von 11 Mio. Euro. Zur Förderung kann der Betrieb bestätigen, dass der Bund 30 % beisteuerte. Fachlich hilft sicher Verständnis für Holz und wer aus dem Sägewerksumfeld kommt, bringt die nötige Praxis mit. Der Rest ist lernbar. Wichtig sind Gefühl für Materialien und die Bereitschaft, sich die Hände schmutzig zu machen sowie Disziplin bei Wartungsintervallen. Da Lieferanten zuverlässig liefern müssen, ist ein konsequentes Lieferantenmanagement als Schutz vor Kettenreaktionen nötig.
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